Der Unruhegeist - Hartmut Mehdorn wird 75

 Hartmut Mehdorn. Foto: epa/Rainer Jensen
Hartmut Mehdorn. Foto: epa/Rainer Jensen

BERLIN (dpa) - Es ist ruhig um ihn geworden, weil er es so will. Hartmut Mehdorn hat als Manager einen rustikalen Rumpelstil geprägt. Jetzt wird er 75.

Im Sommer verbringt er die meiste Zeit in Südfrankreich. Dort besitzt er mit seiner Frau ein Haus und einen kleinen Weinberg, vier Hektar groß, «mitten im Niemandsland». Ab und zu ist Hartmut Mehdorn auch in Berlin. Ein bisschen was hat der frühere Bahnchef da beruflich noch zu tun. «Ich betreue drei kleine Start-ups in Berlin», erzählt Mehdorn. Bei einem von ihnen sei er im Aufsichtsrat, aber das wolle er bald aufgeben.

Denn Mehdorn ist eigentlich seit gut zwei Jahren im Ruhestand. «Es geht mir gut», sagt er. Am Montag (31. Juli) feiert er seinen 75. Geburtstag. Da werde er irgendwo in Deutschland oder Frankreich unterwegs und bestimmt nicht erreichbar sein.

Inzwischen genießt Mehdorn es, nicht mehr «vom Terminkalender gehetzt» zu werden. Er kommt endlich zum Lesen. So nehme er sich mal einen Philosophen vor, «an dem ich mich abarbeite». Oder er heuert auf einem Segelboot an der Mittelmeerküste an. «Ein eigenes Boot habe ich nicht mehr, aber die suchen immer Leute für ihre Mannschaften.»

Man kennt Mehdorn als Mann, der in seiner Zeit als Topmanager immer in Bewegung war. Wer Mehdorn gegenübersaß, spürte und sah es: Ruhelos rieb er die Hände, faltete, knetete sie. Unterm Tisch wippten die Füße, der ganze Mann vibrierte.

Macher und Vollblut-Manager alter Schule wurde er genannt, streitlustiges Raubein aber auch. Ein Leisetreter war der Maschinenbauer aus Berlin jedenfalls nie. Das machte Mehdorn zu einem der bekanntesten Manager Deutschlands, den meisten vertraut als «Bahnchef Mehdorn».

Ein krönender Abschluss seiner langen Karriere blieb im verwehrt. Im März 2015 ging er als Chef der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg (FBB). Im folgenden Mai erklärte er seinen Abschied aus dem Geschäftsleben und legte alle Aufsichtsratsmandate nieder. Zuvor hatte ihn eine Medikamenten-Unverträglichkeit auf die Intensivstation gezwungen.

Mit anderen Ex-Vorstandsmitgliedern der Bahn trifft er sich ab und zu zum Mittagessen. Auf Bemerkungen über die heutigen Spitzenkräfte verzichtet Mehdorn: «Ich bin keiner von denen, die ihrem Nachfolger im Nacken sitzen.»

Vielen ist er noch in Erinnerung als der Mann, der die verlustreiche Deutsche Bahn auf Gewinn trimmte. Der lange geplante Börsengang der früheren Behördenbahn gelang nicht, weil die Finanzmarktkrise dazwischenkam. Schon im Rentenalter verschaffte er der trudelnden Air Berlin neue Luft und dem dümpelnden Hauptstadtflughafen einen Eröffnungstermin, der sich dann aber auch nicht halten ließ. Mehdorn hat sich dabei nicht geschont. Zuweilen auch sein Umfeld nicht.

Manager dürfen noch Patriarchen sein und Flugreisen sind für viele ein schwer erfüllbarer Traum, als die Karriere des Maschinenbauers 1964 bei den Vereinigten Flugtechnischen Werken in Bremen beginnt. Mehdorn geht zu Airbus, steigt in den Vorstand der damaligen Deutschen Aerospace auf, wechselt an die Spitze der Heidelberger Druckmaschinen. Bundesweit breiter bekannt wird er erst danach, in zehn Jahren als Bahnchef ab 1999.

Mehdorn genießt die Aufmerksamkeit in dieser Position. Wo er hinkommt, wirbelt er Staub auf, provoziert, wenn es seinen Zielen dient. Als ein neues Fahrpreissystem eine wochenlange Kritikwelle auslöst, stampft Mehdorn es ein und sagt: «Wir haben verstanden, Asche auf mein Haupt.»

Der mit einer Französin verheiratete Manager bewundert Napoleon. Den einzigen Fehler des Feldherrn sieht er im Kriegführen. Mehdorn geht Konflikten selten aus dem Weg, kämpft aber mit offenem Visier, wie auch Kritiker bestätigen. «Wenn mir einer quer kommt, dem sage ich: «Sie sind ein Klotzkopf.»»

Am Ende stolpert der Konzernchef über eine Affäre um Massenkontrollen von Mitarbeiterdaten. Man sei etwas «übereifrig» gewesen, erklärt der damals 66-Jährige ungewohnt kleinlaut. Er könnte nun in Rente gehen, aber: «Zu Hause sitzen - dafür bin ich nicht gemacht.» Da kommen zwei Gelegenheiten recht, die einen Krisenmanager fordern.

Bei Air Berlin gelingt ihm das Kunststück, den Großinvestor Etihad an Bord zu holen, dessen Geldinfusionen die zweitgrößte deutsche Airline am Leben erhalten. Doch um die Fluggesellschaft steht es heute schlechter denn je.

Letzte Karrierestation: die berüchtigtste Baustelle Deutschlands, der neue Berliner Großflughafen. Der Ingenieur rackert und streitet für das drittgrößte deutsche Luftdrehkreuz, doch es dauert, bis Mehdorns Strampeln den Treibsand von Schönefeld in Wallung bringt. Mehdorn geht nach zwei Jahren - «gefühlt 20 Jahre», sagt er. Im Rückblick war Mehdorn dort auch nur eine Episode in dem überlangen Debakel.

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