Der Schatten des IS liegt über Marawi

Foto: epa/Merlyn Manos
Foto: epa/Merlyn Manos

MARAWI (dpa) - Vor einem Monat übernahmen muslimische Extremisten die Kontrolle im südphilippinischen Marawi. Die Kämpfe dauern an, und bei Politikern und Militärs wächst die Sorge über den Einfluss der Terrormiliz Islamischer Staat. In Marawi selbst geht es indes nur ums Überleben.

Die Stadt liegt eingebettet zwischen satten, grünen Hügeln, ein Fluss schlängelt sich durch die Siedlungen. Doch das Bild trügt: Immer wieder sind Schüsse zu hören, grauer Rauch steigt in den tropischen Himmel.

Die südphilippininsche Stadt Marawi ist seit einem Monat zwischen Regierungstruppen und muslimischen Rebellen heftig umkämpft. Von den eigentlich mehr als 300.000 Einwohnern der Stadt und Umgebung ist der Großteil geflohen. Es wird vermutet, dass sich noch mehrere Hundert Menschen in Marawi aufhalten. Nach offiziellen Angaben gab es bislang mehr als 370 Tote, die Abu-Sayyaf-Rebellen sollen auch Zivilisten als Geiseln genommen haben.

Camalia Baunto erzählt unter Tränen vom letzten Telefonat mit ihrem Mann. Nixon Baunto ist im Kampfgebiet in der belagerten Stadt gefangen. Ihr Mann habe gemeinsam mit anderen Bewohnern versucht zu fliehen, erzählt die 43-jährige Mutter von sechs Kindern. «Doch es wurde geschossen und es gab Explosionen», sagt sie. Ihr Mann sei schwach und erschöpft gewesen, er konnte nicht um sein Leben laufen, also sei er in ihr Haus zurückgekehrt.

Das war vor knapp zwei Wochen. «Es war das letzte Mal, dass ich mit ihm gesprochen habe. Wahrscheinlich ist der Akku vom Telefon leer. Ich weiß nicht, wie lange er noch überleben kann.» Mutter und Kinder waren zu Beginn der Feindseligkeiten nicht in der Stadt auf Mindanao, etwa 800 Kilometer südlich von Manila. Die Kämpfe hatten mit einem Versuch der Regierungstruppen begonnen, Isnilon Hapilon, einen berüchtigten Anführer der Terrorgruppe Abu Sayyaf, festzunehmen. Daraufhin holten die Aufständischen Verstärkung.

Auf Anordnung von Präsident Rodrigo Duterte gilt für die gesamte Insel mit mehr als 20 Millionen Bewohnern das Kriegsrecht. Die auf Mindanao seit langem aktiven Rebellen der Gruppe Abu Sayyaf haben der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) die Treue geschworen.

Die verbliebenen Zivilisten müssen einen täglichen Überlebenskampf überstehen: Abu-Sayyaf-Scharfschützen, die aus Hochhäusern auf sie feuern, Luftschläge der Armee, keine medizinische Versorgung, Hunger. «Manche sagten uns, dass sie Decken, Karton oder Gras essen und Regenwasser trinken», beschreibt die Aktivistin Samira Gutoc die Lage in Marawi. Sie fordert einen Waffenstillstand. Die Regierung in Manila betont zwar, ein Ende des Konflikts sei nahe, nennt aber kein Datum. Zwei Stichtage konnte die Armee bislang nicht einhalten. Für eine solche Planung sei die Situation wegen der städtischen Umgebung zu komplex, sagt Militärsprecher Brigadegeneral Restituto Padilla.

Die Extremisten hätten ihre Attacke von langer Hand geplant, so das Militär. Ihr Ziel sei ein IS-Kalifat in Mindanao. Marawi liegt als Folge der Kämpfe in Schutt und Asche. Geflüchtete Bewohner berichten von ausgebrannten Gebäuden und Leichen auf den Straßen.

Im Zuge von Berichten, dass ausländische Kämpfer die Rebellen unterstützen, forderte Padilla die Bevölkerung zur Einheit im Kampf gegen den Terror auf. Dieser Feind stelle wegen seien extrem brutalen Einschüchterungstaktik und der Anwerbung von Kämpfern im Internet eine neue Kategorie von Terror-Bedrohung dar.

Experten warnen, dass in den südlichen Philippinen eine neue Hochburg für ausländische Terroristen entstehen könnte. Daher sei es besonders wichtig, die Extremisten in Marawi und ihren Anführer Hapilon zu stoppen. Mindanaos geografische Lage und die durchlässigen Grenzen machten das Land verwundbar, sagt die Politikwissenschaftlerin Yasmira Moner von der Universität Mindanao. Es sei extrem wichtig, dass Hapilon gefasst werde. «Mindanao könnte sonst ein Zufluchtsort für Terroristen in der Region werden», warnt Moner.

Camalia Baunto sind solche sicherheitspolitischen Überlegungen egal. Sie will nur ihren Mann wohlbehalten wieder zurück. «Ich weiß nur, ich hasse die Leute, die diese Kämpfe angefangen haben», sagt sie. «Mir bricht es jedes Mal das Herz, wenn Menschen aus dem Kampfgebiet gerettet werden, und er nicht unter ihnen ist. Wann hört das endlich auf? Wann kommt er zurück?»

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