Der Fluch der Armut

Warum thailändische Frauen Ausländer heiraten

Die Töchter des Isaan verdienen sich ihren Lebensunterhalt in den Bars der Touristenzentren. Ihr Ziel: Die Eheschliessung mit einem Ausländer.
Die Töchter des Isaan verdienen sich ihren Lebensunterhalt in den Bars der Touristenzentren. Ihr Ziel: Die Eheschliessung mit einem Ausländer.

Nicht Liebe oder Zuneigung, sondern Armut lässt thailändische Frauen eine Ehe mit Ausländern eingehen. Eine neuerliche Studie von Dr. Rattana Boonmathaya von der Mahidol Universität hat weiter ergeben, dass die meisten Thais froh sind, neben der Armut ihren Job als Prostituierte hinter sich zu lassen und nach der Eheschliessung ihre Familie finanziell unterstützen zu können. Ihre Loyalität gegenüber der Grossfamilie bleibt auch bei einem Aufenthalt im Ausland ungebrochen.

Die Ehe mit einem Westler ist im Nordosten des Landes, dem Isaan, eine willkommene Alternative für einkommenschwache Familien. Nach der Studie sind die meisten ausländischen Männer 10 bis 18 Jahre älter als ihre thailändischen Frauen, überwiegend haben beide Partner bereits eine Ehe sowie Trennung bzw. Scheidung hinter sich.

Während die Dorfbevölkerung noch vor Jahrzehnten der Eheschliessung mit einem Ausländer skeptisch gegenüber stand und die Frauen an „Gesicht“ verloren, wird heute die Hochzeit selbst mit wenig attraktiven Männern gesucht und gefördert, wenn diese denn eine pralle Brieftasche haben. Bei einer Umfrage unter Grundschülerinnen, welches Ziel sie nach dem Schulabschluss anstrebten, sagten die meisten Mädchen: „Ich möchte einen Ausländer heiraten.“

Inzwischen sind in einigen Gebieten des Isaan Thai-Farang-Ehen so selbstverständlich geworden, dass sich Eltern eher neugeborene Mädchen als Jungen wünschen, weil Töchter sich besser um die Familie kümmern. Die Studie zitiert einige ältere Isaan-Bewohner: Sie wollten keine Söhne, weil diese nutzlos, unnütz seien.

54 Prozent der mit einem Farang verheirateten Frauen gaben in Interviews an, ihren Ehemann am Arbeitsplatz kennengelernt zu haben, also in einer Bar. 20 Prozent der Ehefrauen fanden durch Vermittlung der Familie einen Ausländer, weitere 20 Prozent wollen ihren Partner zufällig bzw. über ihren Job in der Tourismusindustrie getroffen haben.

Die Zahl der Prostituierten wird von ausländischen und regierungsunabhängigen Organisationen auf mindestens eine Million geschätzt. Offizielle Statistiken gehen von nur einigen Zehntausend aus. Ausländische Berichte über das Ausmass der Prostitution in Thailand verursachen meist grosses, auch mediales Aufsehen, weil das weltweit bekannte Phänomen von der konservativen Gesellschaft ignoriert wird.

Die meisten Prostituierten stammen aus armen Familien der nördlichen Gebiete. Neben dem ärmlichen Leben Zuhause sind das Machotum der Männer und eine Lebensphilosophie nicht mit unnötigen Skrupeln beschwerter Gelassenheit Gründe, sich den Lebensunterhalt in einer Bar oder einem Bordell zu verdienen.

Prostitution ist also Teil der Gesellschaft. Dennoch wird sie verachtet und ist offiziell verboten. Der Grund, sie nicht zu bekämpfen, ist wohl derselbe, aus dem heraus sie existiert: Geld. Prostitution bedeutet Korruption der örtlichen Behörden. Diese verdienen kräftig mit an der käuflichen Liebe und lassen die Zuhälter gegen Schmiergelder gewähren.

Bordelle und Nebenfrau

Wohlhabende Urlauber treffen in den Touristenzentren junge und hübsche Frauen aus dem Isaan oder aus Nordthailand.
Wohlhabende Urlauber treffen in den Touristenzentren junge und hübsche Frauen aus dem Isaan oder aus Nordthailand.

Das Geschäft mit den Töchtern des Landes begann schon Mitte des 19. Jahrhunderts. Viele chinesische Arbeiter hatten sich in Bangkok angesiedelt, fern von Weib und Familie. In der Hauptstadt Siams, wie Thailand früher hiess, schossen Bordelle wie Pilze aus dem Boden. Es entstand ein „Grünlichtviertel“, schreibt Jochen Bast in seiner Abhandlung über Sextourismus und Prostitution in Thailand. Die Etablissements erkannte man an grünen Laternen vor der Tür.

In den 1960er Jahren schliesslich - der Vietnam-Krieg tobte - verbrachten Massen US-amerikanischer Soldaten ihren Fronturlaub in Thailand. Sie brachten Taschen voller Dollars. Als sie ausblieben, kamen die Touristen.

Doch trotz all der Fremden sind die wichtigsten Kunden der Prostituierten immer einheimische Männer gewesen. Die männlichen Thais sind in ihrem Verhalten das, was wir Machos nennen würden. Sie fühlen sich selbst gegenüber in einer Art Bringschuld: Männlichkeit gilt es permanent zu beweisen. Und dies tun sie ausgiebig. Zwar ist Polygamie offiziell verboten, doch hält sich so mancher Thai eine „Nebenfrau“ (mia noi). Der Gang ins Bordell gilt bei Unverheirateten und Ehemännern weitgehend als normal.

Quelle: DER FARANG

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