Der Fall Ecclestone

Der Fall Ecclestone

Formel-1-Chef Bernie Ecclestone ist ein freier Mann und nicht vorbestraft. Ausgestanden ist der Prozess vor dem Münchner Landgericht, der seit mehreren Monaten regelmäßiges Erscheinen des 84-jährigen Briten in München garantierte und reges Interesse in der Öffentlichkeit fand. Vor acht Jahren hatte Ecclestone dem Bayern-LB-Vorstand Gribkowski 44 Millionen Dollar bezahlt, der daraufhin die Anteile der Landesbank an der Formel-1 auf Vermittlung von Ecclestone an die Investmentgesellschaft CVC verkaufte. Derselbe Richter, der nun im Fall Ecclestone zu entscheiden hatte, verurteilte Gribkowski 2012 zu achteinhalb Jahren Haft wegen Bestechung und Steuerhinterziehung.

Bis zu zehn Jahren Haft hatte dem Formel-1-Boss gedroht. Abgewendet! Gegen Zahlung von 100 Millionen Dollar binnen einer Woche wird das Verfahren gegen ihn endgültig eingestellt. Einfach so. Mit Recht hat das nicht mehr viel zu tun. Es handelt sich allerdings um einen weiteren bemerkenswerten Baustein zur totalen Kommerzialisierung unserer Gesellschaft. Wer es sich leisten kann, kauft sich frei; der arme Schlucker, der sich etwas zuschulden hat kommen lassen, fährt ein. Wer soll einer solchen Justiz und Rechtsprechung noch vertrauen?

Bemerkenswert war das Argument des Richters, es bestünden erhebliche Zweifel, ob Eccle­stone die Amtsträgereigenschaft von Gribkowski kannte. Diese Frage ist wichtig, da das deutsche Recht in diesem Zusammenhang die Amtsträgereigenschaft als Voraussetzung einer besonderen Strafwürdigkeit vorsieht. Aber ist diese Frage nicht lebensfremd? Der legendäre Formel-1-Chef, der über Jahrzehnte bekannt dafür war „alles im Kopf“ zu haben, soll nichts von der Gesellschaftsform seines wichtigsten Investors gewusst haben? Abwegig.

„Deals“ im Strafverfahren

Die Diskussion über „Deals“ in Strafverfahren – also Absprachen zwischen Verteidigung und Staat – ist nicht neu. Ein Deal ist für alle Verfahrensbeteiligten verlockend, da nicht nur die Verteidigung zu einem raschen Ergebnis im Sinne des Mandanten kommt, sondern auch Richter und Staatsanwälte auf diese Art und Weise ein Verfahren schnell und klanglos über die Bühne bringen können. Die Versuchung ist umso größer, je mehr Ressourcen ein Angeklagter zur Verfügung hat. Der Fall Eccle–stone ist ein Paradebeispiel, da er als Milliardär mit drei Verteidigern wohl zigtausende Seiten an Papier produziert hätte, die Richter und Staatsanwälte hätten lesen und bearbeiten müssen. Aus dieser Perspektive könnte man ein gewisses Verständnis für das Instrument des Deals entwickeln.

Bedauerlich ist nur, dass bei dieser Vorgehensweise die Wahrheit auf der Strecke bleibt. Der Angeklagte und seine Tat stehen nicht mehr im Mittelpunkt. Dies widerspricht aber vehement den Verfahrensgrundsätzen des deutschen Strafrechts, konkret dem Grundsatz, dass im Strafprozess die Wahrheit aufgeklärt werden muss. Anders als wenn ein Strafprozess durchgeführt wird, gibt es beim Deal keine Regeln, keine Rechtsbehelfe und erst recht keine Kontrollinstanz.

Besonders sauer stößt auf, dass Ecclestone das Verfahren ohne Vorstrafe hinter sich lässt. Dies dürfte das Gerechtigkeitsgefühl vieler Bürger massiv verletzen, da es auch einen Unterschied macht, ob jemand Schuld einräumt und der Staat dann wegen geringer Schuld ein Verfahren einstellt, oder ob sich ein milliardenschwerer Angeklagter unter Ausnutzung seiner wirtschaftlichen Macht letztendlich direkt freikauft.

Darf man sich wirklich wundern, wenn beim Bürger der Eindruck einer Zwei-KlassenStrafverfolgung entsteht? Hier der kleine Mann, der bei Straftaten mit der vollen Härte des Gesetzes bestraft wird, dort der Milliardär, der zu den Prozesstagen mit dem eigenen Flugzeug einfliegt und seinen Ablass von ursprünglich mehreren hundert Millionen Euro als einer der geschicktesten Sport-Manager unserer Zeit auf einhundert Millionen Dollar herunterhandelt.

Für Ecclestone ist der Fall strafrechtlich erledigt, sobald er das Geld überwiesen hat. Er muss sich dann höchstens noch mit zivilrechtlichen Forderungen der Bayerischen Landesbank herumschlagen, die sich im Vergleich als eher einfache Übung erweisen dürften.

Das Ansehen der Strafjustiz in Deutschland hat der Fall Ecclestone beschädigt. (Foto: Orlando Bellini / Fotolia.com)

Über den Autor

Christian Rasp ist Rechtsanwalt und seit 1992 in Thailand, Hong Kong und China tätig. Er leitet ein spezialisiertes Consulting-Haus, lebt und arbeitet in Hua Hin, Bangkok und Hong Kong. Die Kolumne Nachgefragt“ beschäftigt sich vorwiegend mit aktuellen ökonomischen Fragestellungen, die es verdienen, etwas genauer unter die Lupe genommen zu werden.

Feedback erwünscht!

Kontaktdaten von Rechtsanwalt Rasp:

E-Mail: cr@cr-management-consulting.com

Webseite: www.cr-management-consulting.com

Telefon: +66 32 512 253

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.

Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.