In der Euro-Zone geben Konjunkturprognosen derzeit wenig Anlass zur Freude. Die Konjunkturerholung dürfte viel schwächer ausfallen als noch vor wenigen Monaten erwartet, die Inflation noch länger als gedacht niedrig bleiben. Scheinbare Gründe dafür, wie IS, der Syrien-Konflikt oder etwa die Krise in der Ukraine als mögliche Ursachen sind schnell ausgemacht. Doch sind das wirklich die Hauptgründe der aktuellen europäischen Misere? Wohl kaum.
Fest steht, Europa ist zur Risikozone geworden und bremst das Weltwirtschaftswachstum. Kaum Inflation, geringes Wachstum und eine hohe Arbeitslosenquote bestimmen das Bild in der Euro-Zone. Weniger wirtschaftlich versierte Menschen hatten im vergangenen Jahr bereits aufgeatmet und die Krise in Europa genau wie die Probleme mit und um den Euro wieder verdrängt. Bedauerlicherweise gibt es überhaupt keinen Grund aufzuatmen. Ganz im Gegenteil: Die jüngsten Entscheidungen der europäischen Zentralbank (EZB) bestärken die schlimmsten Befürchtungen des aufgeklärten Steuerzahlers. Munter geht es weiter auf den Abgrund zu. Locker und flockig erklärt der Präsident der EZB, auch in Zukunft toxische Papiere maroder Banken in die eigenen Bücher zu nehmen, wohl wissend, dass diese keinen Cent wert sind und irgendwann auch bei der EZB auf Kosten der Steuerzahler abgeschrieben werden müssen. Die Großinvestoren sind beruhigt, ihre Interessen sind gewahrt, denn die EZB zahlt ja auf jeden Fall. Wäre es nicht an der Zeit, den Interessen normaler Steuerzahler Gehör zu verschaffen?
Sorgenkind Europa
Besonders bedrückend ist der Umstand, dass wir aus der Geschichte wissen, staatliche Investitionslenkung funktioniert nicht. Doch genau das passiert gegenwärtig. Unter dem Euro ist bisher Sparkapital von Nord- nach Südeuropa geflossen und hat dort die Leistungsbilanzdefizite vermindert. Bedauerlicherweise ohne nennenswerte Wachstumserfolge. Das Geld floss in den Konsum, bzw. wurde für Projekte ausgegeben, die wirtschaftlich nicht tragfähig waren (Bauruinen in Spanien aus dem ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts sind das beste Beispiel). Im Jahre 2000 - man kann es nachlesen - haben die Urheber der Agenda von Lissabon es sich zum Ziel gesetzt, Europa bis 2010 zur dynamischsten Wachstumsregion der Erde zu machen. Das Gegenteil ist der Fall: Europa ist ein Sorgenkind der Weltwirtschaft.
Das alles wäre vielleicht gar nicht so tragisch, wenn die politisch und geldpolitisch Verantwortlichen den groben Reparaturbedarf am System erkennen und/oder zugeben würden. Leider ist das genaue Gegenteil der Fall. Investoren, die zwischenzeitlich die Zeichen der Zeit erkannt haben und ihr Kapital aus Europa abziehen wollten, werden durch Garantien der EZB zum Bleiben motiviert. Verrückt! Man kann nur beten, dass in näherer Zukunft irgendjemandem auffällt, dass es einfach nicht sein kann, dass jedes Land der Euro-Zone einfach so viel Geld druckt, wie es gerade braucht. Besonders erfreulich wäre, wenn es sich bei diesem „irgendjemand“ um nationale Parlamente innerhalb der Euro-Zone handeln würde. Denn selbst wenn es am Ende des Tages eine politische Mehrheit in einigen Ländern geben sollte, Sparkapital der jeweiligen Bürger nach Südeuropa zu leiten, ist dies die Entscheidung des jeweiligen Parlaments und nicht die Entscheidung des Direktoriums der EZB. Das Bundesverfassungsgericht hat im Februar dieses Jahres von „Machtusurpation“ in diesem Zusammenhang gesprochen. Leider geht es bisher jedoch munter weiter so.
Am Ende des Tages wird dem Steuerzahler nicht gedient sein. Einige Staaten und viele Banken im Süden der Euro-Zone sind schlicht pleite. Die beinahe Null-Zins-Politik der EZB vermeidet derzeit Insolvenzen, erhöht allerdings zwingend die Kosten des Gesamtprojektes Euro-Zone. Aus der Sicht normaler Bürger und Steuerzahler müsste umgehend die Notbremse gezogen werden, um die gröbsten Fehler im System, die erstaunlicherweise unbestritten sind, zu reparieren. Die schwächsten Staaten der Eurozone könnten diese vorübergehend verlassen, ihre eigene Währung abwerten und so wieder wettbewerbsfähig werden, um danach in die Euro-Zone zurückzukehren.
Über den Autor Christian Rasp ist Rechtsanwalt und seit 1992 in Thailand, Hong Kong und China tätig. Er leitet ein spezialisiertes Consulting-Haus, lebt und arbeitet in Hua Hin, Bangkok und Hongkong. Die Kolumne Nachgefragt“ beschäftigt sich vorwiegend mit aktuellen ökonomischen Fragestellungen, die es verdienen, etwas genauer unter die Lupe genommen zu werden. Feedback erwünscht! Kontaktdaten von Rechtsanwalt Rasp:E-Mail: cr@cr-management-consulting.com Webseite: www.cr-management-consulting.com Telefon: +66 32 512 253 |