„Das Auto ist das heiligste, was wir zurzeit haben“

BMW, Mercedes und Hitler als weltweite Verkaufsschlager

Birgit (l.) und Horst Licht (r.) zu Hause in Pattaya. Im FARANG erzählen sie von ihren Erfahrungen unterwegs. Foto: bj
Birgit (l.) und Horst Licht (r.) zu Hause in Pattaya. Im FARANG erzählen sie von ihren Erfahrungen unterwegs. Foto: bj

PATTAYA: Auf ihrer siebenmonatigen Reise von Ostfriesland bis nach Pattaya mit einem Unimog hatten Horst und Birgit Licht genügend Zeit, sich Gedanken über die verschiedenen Kulturen zu machen. Redaktionsleiter Björn Jahner befragte Horst Licht zu seinen Erfahrungen.

Wie ticken die Menschen unterwegs?

Ganz viele Menschen halten sich entlang der Straßen auf. Was geht ihnen durch den Kopf? Das Auto! In Indien zum Beispiel steht in jeder Ortschaft ab sieben Uhr morgens das ganze Volk an der Straße, Millionen Menschen, und schauen den vorbeifahrenden Autos nach. Selbst, wenn sie Mittagspause haben, kommen viele an die Straße und schauen sich Autos an. Denn auch in Indien gibt es schöne Autos und nicht nur Rikschas oder Tuk-Tuks. Das bestätigt wiederum meine These: Das Auto ist heutzutage heilig. Wir waren früher zwar schon viel unterwegs und da gab es noch nicht so viele Autos, das war für viele Menschen einfach noch ganz fern. Jetzt ist das Auto zwar greifbar, es geht jedoch um das Auto und nicht um irgendeins. Denn irgendeins gibt es schon zu Millionen auf der Welt!

Von welchem Auto träumen die Menschen?

Das ist von Land zu Land verschieden. Während man hier in Thailand von einem Ford Ranger oder dem neuen Toyota Pick-up träumt, sind es in den anderen Ländern, die wir durchquert haben, vorwiegend BMW und Mercedes, aber nicht die kleinen, sondern die 7er-Modelle und die S-Klasse. Davon träumen die Menschen und viele, viele haben es! Es gibt unglaublich viele sehr reiche Leute auf der Welt, vor allem auch im Iran. Dort hat man sich bei uns mitunter sogar entschuldigt, dass man „nur“ ein koreanisches SUV fährt und keinen Mercedes-Stern auf der Haube hat. Es gibt viele Autos im Iran, nur die falschen! Würden die Sanktionen aufgehoben werden, wäre das Land wahrscheinlich der größte BMW- und Mercedes-Kunde.

Was bewegt die Menschen in Indien, Myanmar, Thailand oder auch in Syrien?

Auch hier muss ich antworten: das Auto! Das Auto ist das heiligste, was wir zurzeit haben. Und das wird sich so schnell auch nicht ändern. Zwar kann man in Deutschland Verbote aussprechen, zum Beispiel, dass nur Elektrofahrzeuge in die Innenstädte fahren dürfen, doch das wäre in anderen Ländern undenkbar. Doch es gibt nicht nur Deutschland auf der Welt.

Mit was verbinden die Menschen, die Sie auf Ihrer Reiseroute getroffen haben, Deutschland?

Wenn man in Ländern wie Indien, dem Iran oder den Vereinigten Arabischen Emiraten über Deutschland spricht, dann gibt es nur drei Themen: Mercedes-Benz, BMW und Adolf Hitler. Und alle drei sind positiv belegt! Für uns Deutsche selber, empfiehlt sich diesbezüglich natürlich Zurückhaltung, weil die Menschen einfach ganz anders erzogen wurden. Doch um diese Erfahrung zu sammeln, muss man gar nicht so weit reisen. Denn selbst auf großen Motorradtreffen in Thailand sieht man vereinzelt Fahnen mit Symbolen aus dem Dritten Reich. In Mumbai begrüßte man uns übrigens freudestrahlend mit „Heil Hitler“...!

Wie reagieren Sie darauf?

Wir bleiben unpolitisch. Unser Basisgrundsatz lautet: Wir sind nur Overlander und halten die Augen auf, um zu verstehen, wie die Menschen ticken.

Welche Erlebnisse werden Sie so schnell nicht vergessen?

Die geschenkte Verschiffung des Unimog vom Oman nach Indien und die Freundlichkeit der Menschen. Wir haben die Erfahrung gesammelt, dass in Ländern wie Russland, der Türkei oder dem Iran und somit in Staaten, die bei uns in den Medien ganz unten stehen, die nettesten Menschen leben.

Im Iran ereignete sich auch eine unvergessliche Geschichte. Ein Polizist, der vermutlich noch nicht lange in seiner Position war, hielt uns an und fragte nach unseren Papieren und unserem Visum. Nach einer kurzen Überprüfung teilte er uns mit, dass unser Visum abgelaufen sei. Wir sagten, nein, an sich nicht, wir sind ja erst drei Wochen hier und vier Wochen dürfen wir uns im Land aufhalten. Er wurde immer ungemütlicher, und es war eine unangenehme Situation. Ganz in der Nähe befand sich ein Militärposten. Dort standen schwer bewaffnete Offiziere. Als sie bemerkten, dass wir in einem ehemaligen Armeefahrzeug unterwegs waren, reagierten sie begeistert und begannen, den Polizisten zurechtzuweisen, woraufhin er uns oberfreundlich eine gute Fahrt wünschte und sich entschuldigte. Unvergesslich!

Hatten Sie mit Ihrem Unimog auch mal eine Panne?

Technische Probleme gab es auf der gesamten Reise keine, nur ein Batteriewechsel wurde in Indien nötig. Das stellte jedoch kein Problem dar, da wir einen Generator und ein Ladegerät mitführten. Für die Bevölkerung war das die Attraktion. Erst war niemand da, doch als ich den Generator startete, standen plötzlich 50 Menschen um unser Fahrzeug, sie sind buchstäblich aus der Erde gewachsen! Die Inder sind sehr hilfsbereit und laden auch gerne ein, doch sie sind sehr, sehr neugierig! So wurden wir auch einmal nachts wachgeklopft und wir dachten zuerst, vielleicht parken wir verkehrt. Doch da standen drei Männer, die sagten, dass sie nur mal sehen möchten, wie es in unserem Wohnaufsatz drinnen aussieht.

  • Lesen Sie auch die im Zusammenhang mit dem Interview stehende Reportage:

Roadtrip von Ostfriesland nach Pattaya

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