Christentum und Buddhismus Teil 7

Die wunderbare Geburt des Erlösers

Links: Buddhas Geburt aus der rechten Körperseite seiner Mutter Maya (Pakistan, 13. Jh.n.Chr.). Rechts: Geburt Christi (byzantinisches Mosaik, La-Martorana-Kirche, Palermo, 12. Jh.).
Links: Buddhas Geburt aus der rechten Körperseite seiner Mutter Maya (Pakistan, 13. Jh.n.Chr.). Rechts: Geburt Christi (byzantinisches Mosaik, La-Martorana-Kirche, Palermo, 12. Jh.).

Wer als Christ für längere Zeit in Thailand lebt, wird unweigerlich auf die Zeugnisse buddhistischen Glaubens stoßen. Gerade die Legenden zur Lebensgeschichte des Gautama Buddha zeigen streckenweise überraschende Ähnlichkeiten zu dem, was die Bibel über die Lebensgeschichte Jesu Christi berichtet. Bei näherem Hinsehen werden dann aber auch Unterschiede deutlich, die bei allem Respekt gegenüber anderen Religionen zum Nachdenken darüber einladen, was die Besonderheit der christlichen Botschaft ausmacht.

Die geschichtlichen Rahmenbedingungen der beiden Religionsstifter lassen sich in wenigen Sätzen zusammenfassen:

Buddha („der Erwachte“) lebte und wirkte von 624 bis 544 vor der christlichen Zeitrechnung (manche Wissenschaftler datieren 566-486 vor Christus) in Nordostindien. Er wurde unter dem Namen Siddhartha als Adeliger im Ritterstand geboren und aufgezogen, und vollzog mit 29 Jahren seine Lebenswende zum Wanderprediger und Weisheitslehrer.

Christus („der Gesalbte“) lebte und wirkte von ca. 7 vor der christlichen Zeitrechnung bis ca. 30 nach der christlichen Zeitrechnung in Nordisrael und Jerusalem. Er wurde unter dem Namen Jeshua als Sohn eines Handwerkers geboren und aufgezogen und vollzog mit ca. 30 Jahren seine Lebenswende zum Wanderprediger und Propheten.

Neben diesen geschichtlichen Fakten spiegeln eine Reihe von Legenden die religiöse Bedeutung dieser beiden Figuren als Heilsbringer: so hatte der spätere Buddha schon in 547 früheren Existenzen jene geistigen Verdienste angesammelt, die ihn zum Erlangen der Buddhaschaft befähigten, und wurde nun von den (hinduistischen) Göttern gedrängt, ein letztes Mal als Erlöser geboren zu werden. Auch die christliche Überlieferung kennt eine solche Prä-Exis­tenz: der Christus ist, wie es im Johannesevangelium heißt, das Mensch gewordene Wort Gottes, durch das am Anfang der Welt die ganze Schöpfung ins Leben gerufen wurde.

Links: Der neugeborene Buddha auf dem Kopf des Weisen Asita, der sein Leben lang gehofft hatte, dieses Kind zu sehen (Buddhaisawan-Kapelle Bangkok, Ende 18.Jh.). Rechts: Der neugeborene Christus in den Armen des Weisen Simeon, der sein Leben lang gehofft hatte, dieses Kind zu sehen (russische Ikone, Anfang 17.Jh.).
Links: Der neugeborene Buddha auf dem Kopf des Weisen Asita, der sein Leben lang gehofft hatte, dieses Kind zu sehen (Buddhaisawan-Kapelle Bangkok, Ende 18.Jh.). Rechts: Der neugeborene Christus in den Armen des Weisen Simeon, der sein Leben lang gehofft hatte, dieses Kind zu sehen (russische Ikone, Anfang 17.Jh.).

Die besondere religiöse Bedeutung des Buddha und des Christus spiegelt sich auch in den Legenden zu ihrer Geburt: die Mutter des Buddha empfängt das Kind im Traum, indem ein weißer Elefant seinen Rüssel in ihre Körperseite senkt.

Und die Mutter des Chris­tus empfängt das Kind durch die Botschaft eines Engels und das Einwirken von göttlichem heiligen Geist. Und schließlich weisen auch noch die Geburtsgeschichten des Buddha und des Christus erstaunliche Ähnlichkeiten auf: beide werden unterwegs auf Reisen, ohne ein festes Dach über dem Kopf geboren - sie sind eben nicht „von dieser Welt“. Und beide werden schließlich schon als Neugeborene durch „alte Weise“ als zukünftige Erlöser erkannt.

Wie lassen sich diese erstaunlichen Ähnlichkeiten deuten? Es macht wenig Sinn (trotz des geschichtlich erwiesenen intensiven kulturellen Austausches über die Seidenstraße zwischen Nahem und Fernem Osten) darüber zu spekulieren, dass die christliche Geburtsgeschichte eine Kopie der Geburtslegenden des Buddha ist. Und es überschreitet menschliche Erkenntnismöglichkeiten, wenn man aus diesen Ähnlichkeiten ableiten wollte, dass ja in Wirklichkeit alle Religionen „eins“ sind. Näher liegt schon die Vermutung des Tiefenpsychologen Carl Gustav Jung, dass die Menschheit stammesgeschichtlich bestimmte innere Urbilder („Archetypen“) in sich trägt, die an verschiedensten Orten und Zeiten zu Tag treten.

Spannender ist jedoch die gemeinsame – staunende Aussage beider Geburtsgeschichten, dass sich offenbar das, was Menschen als „Erlösung“ in dieser Welt ersehnen, nicht mit menschlichen Möglichkeiten allein bewerkstelligen lässt.


Über den Autor:

Ulrich Holste-Helmer (56) lebt und arbeitet – auf geteilter Stelle mit seiner Ehefrau Annegret Helmer – seit 2011 als Pastor der Evangelischen Gemeinde Deutscher Sprache in Thailand.

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