Christentum und Buddhismus Teil 3

​Die Wege der Wanderprediger

Links: Buddha schlichtet Streit in seiner adeligen Verwandtschaft (Buddhaisawan Kapelle Bangkok, Ende 18. Jahrhundert). Rechts: Christus und die Samaritanerin (rumänische Ikone, 18. Jahrhundert).
Links: Buddha schlichtet Streit in seiner adeligen Verwandtschaft (Buddhaisawan Kapelle Bangkok, Ende 18. Jahrhundert). Rechts: Christus und die Samaritanerin (rumänische Ikone, 18. Jahrhundert).

Wer als Christ für längere Zeit in Thailand lebt, wird unweigerlich auf die Zeugnisse buddhistischen Glaubens stoßen. Gerade die Legenden zur Lebensgeschichte des Gautama Buddha zeigen streckenweise überraschende Ähnlichkeiten zu dem, was die Bibel über die Lebensgeschichte Jesu Christi berichtet. Bei näherem Hinsehen werden dann aber auch Unterschiede deutlich, die bei allem Respekt gegenüber anderen Religionen zum Nachdenken darüber einladen, was die Besonderheit der christlichen Botschaft ausmacht.

Buddha („der Erwachte“) lebte und wirkte von 624 bis 544 vor der christlichen Zeitrechnung in Nordostindien. Mit 29 Jahren verließ er seine adelige Familie und wurde unter dem Namen „Gautama der Asket“ und „der Weise aus dem Stamm der Shakyas“ (Shakyamuni) Wanderprediger und Weisheitslehrer.

Christus („der Gesalbte“) lebte und wirkte von ca. 7 vor der christlichen Zeitrechnung bis ca. 30 nach der christlichen Zeitrechnung unter dem Namen Jeshua in Nordisrael und Jerusalem. Im Alter von etwa 30 Jahren verließ er sein Lebensumfeld einer Handwerkerfamilie und wirkte in den folgenden Jahren als prophetischer Wanderprediger.

Mit seiner ersten Predigt im Tierpark von Sarnath setzte Buddha das „Rad der Lehre“ in Bewegung. Seine ersten Jünger wurden die fünf Asketen, die ihn schon zuvor begleitet hatten, und die sich zunächst enttäuscht von ihm abgewandt hatten, als Buddha mit dem extremen Fasten und Meditieren gebrochen hatte. Später schlossen sich auch Adelige seinem Jüngerkreis an.

Als Wanderprediger erreicht Buddha Menschen aus allen sozialen Schichten. Viele der Legenden berichten aber auch, dass Buddha sich mit seiner Verkündigung immer wieder an Adelige und Könige wendet. Und schließlich wird manches Wunderhafte erzählt: wie Buddha einen tobenden Elefanten besänftigt, einen Besessenen von seinem Wahn befreit und einen von Menschen zerstörten Obstbaumgarten über Nacht wieder herstellt.

In seiner Haltung gegenüber Frauen lässt sich eine Entwicklung beobachten: zunächst lehnte Buddha den Wunsch seiner früheren Ehefrau Yasodhara ab, als Nonne in den buddhistischen Mönchsorden aufgenommen zu werden. Später jedoch ließ er auch die Ordination von Frauen als Nonnen zu, was einen deutlichen Bruch mit der hinduistischen Tradition darstellte.

Schließlich wird auch von offenen Anfeindungen gegenüber dem Buddha berichtet: seine Gegner stiften eine Frau an, die ihn öffentlich beschuldigt, sie geschwängert zu haben, eine eifersüchtige Königin hetzt ihre Untertanen gegen ihn auf, und einer seiner Vettern gibt mehrere Anschläge auf das Leben des Buddha in Auftrag.

Auch das Wirken des Christus als Wanderprediger beginnt mit der Bildung eines Jüngerkreises: Jeshua beruft zwölf „Apostel“ (Gesandte), die er als Erneuerer der zwölf Stämme des Volkes Israel versteht. Neben seinen gleichnishaften Lehrreden stehen auch prophetisch-zeichenhafte Aktionen: gemeinsames Essen mit Menschen aus verfeindeten Gruppen, wunderhafte Heilungen von Kranken und Besessenen, und nicht zuletzt sein ungewöhnlicher Umgang mit Frauen, die er als gleichberechtigte Gesprächs-partnerinnen achtete.

Die demonstrativen Grenzüberschreitungen brachten Jeshua immer wieder in Streitgespräche und Konflikte sowohl mit den „Frommen“ seiner Zeit als auch mit denjenigen, die ihn als Widerstandskämpfer gegen die römische Besatzungsmacht vereinnahmen wollten. Selbst seine Mutter und seine Geschwister taten sich lange schwer mit ihm. Und an seiner Verhaftung und Verurteilung durch die Römer war auch einer seiner Jünger durch Verrat beteiligt.

Ein entscheidender, Unterschied aber bleibt beim Auftreten des Buddha und des Christus: Buddha wirkte 45 Jahre lang als Weisheitslehrer. Sein Tod war auch zugleich das „Verlöschen“ in das Nirvana ohne weitere leidvolle Wiedergeburten. Christus dagegen wirkte nur wenige Jahre, bis er verhaftet und hingerichtet wurde. Sein Tod erschien zunächst als Scheitern seiner Mission. Erst die Nachgeschichte seines Wirkens bestätigte das, was er gelehrt und gelebt hatte.


Über den Autor:

Ulrich Holste-Helmer (56) lebt und arbeitet – auf geteilter Stelle mit seiner Ehefrau Annegret Helmer – seit 2011 als Pastor der Evangelischen Gemeinde Deutscher Sprache in Thailand.

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