Brexit-Gespräche in der Sackgasse

Foto: epa/Stephanie Lecocq
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BRÜSSEL/TOKIO (dpa) - Normalerweise ist Michel Barnier nicht aus der Fassung zu bringen. Doch als der Brexit-Unterhändler der EU am Donnerstag zum Ende der dritten Verhandlungsrunde vor die Kameras tritt, wirkt er sichtlich verärgert - auch wenn er kurz darauf behaupten wird, er sei nicht wütend oder frustriert, sondern nur ungeduldig und entschlossen.

Barnier spricht nicht, wie bei früheren Auftritten mit seinem britischen Gegenüber David Davis, durchgängig auf Englisch, sondern in weiten Strecken Französisch. «Wir sind weit davon entfernt, ausreichenden Fortschritt festzustellen», sagt er.

Ungewöhnlich scharf warnt er London davor, einen Keil zwischen die 27 EU-Staaten zu treiben. Wer das versuche, vergeude seine Zeit, so Barnier. Mit Blick auf die finanziellen Verpflichtungen und die Frage, wie nach dem Brexit die Rechte der EU-Bürger in Großbritannien gesichert werden sollen, wirft er London gar Vertrauensbruch vor.

Der britische Brexit-Minister David Davis versucht daraufhin nach Kräften, den Eindruck zu vermeiden, die Gespräche seien in einer Sackgasse gelandet. «Wir haben einiges an konkretem Fortschritt gesehen», sagt er. Doch so recht überzeugen kann er davon kaum jemanden.

Ähnlich geht es der britischen Premierministerin Theresa May, die in dieser Woche in Japan weilt. Ganz in Rot und Weiß gekleidet - den Nationalfarben des Landes - tritt sie in der Kaiserstadt Kyoto vor die Kameras. Die Botschaft ist klar: May will japanische Unternehmen davon überzeugen, dass Großbritannien auch weiterhin das Zugangstor für den europäischen Binnenmarkt sein wird. Doch das hängt maßgeblich vom Ausgang der Verhandlungen in Brüssel ab.

Mays Besuch in Japan soll aber auch ein Signal an die eigene Bevölkerung sein. Großbritannien, so die Argumentation der Regierung, werde dank des Brexit seine Bedeutung als globale Handelsnation wiederentdecken. Vorerst verhandelt Japan allerdings weiter nur mit der EU über ein Freihandelsabkommen. Kaum vorstellbar ist derzeit, dass London schon kurz nach dem EU-Austritt einen ähnlichen Vertrag schließen kann.

Für den Chef der irischen Billig-Airline Ryanair, Michael O'Leary, ist das alles kaum zu glauben. May solle lieber in Brüssel, Frankfurt und Paris über den Brexit verhandeln, um eine Katastrophe für die britische Wirtschaft abzuwenden, anstatt in Japan Tee und Reiswein zu trinken, poltert er am Donnerstag.

Nach der dritten Verhandlungsrunde in Brüssel stellt sich tatsächlich die Frage, wie es bis zum geplanten Brexit-Datum Ende März 2019 eine Einigung über die Trennungsfragen und die künftigen Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich geben soll. Ein Scheitern der Gespräche würde bedeuten, dass Großbritannien ungeregelt aus der EU ausscheidet. Dies könnte für beide Seiten schwerwiegende wirtschaftliche Konsequenzen haben.

Immer wahrscheinlicher wird deswegen, dass es erst einmal eine Übergangsperiode geben muss, in der sich an den Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien nichts oder kaum etwas ändert. Nach Angaben des Brexit-Beauftragten des EU-Parlaments, Guy Verhofstadt, könnte diese zum Beispiel drei Jahre dauern. Schnelle Scheidung geht anders.

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Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Jürgen Franke 01.09.17 23:32
Das Brexit Thema wird uns noch lange
beschäftigen, obwohl besonders in dieser Zeit eine starke Zusammenarbeit gefragt wäre. Die May versucht jetzt in Einzelgesprächen mit einzelnen Länder, Voraussetzungen für die Zukunft ihres Landes zu schaffen. Doch funktioniert nur, wenn die Verhandlungen in Brüssel erfolgreich abgeschlossen worden sind.