Brasilien-GP: Brisanz oder Langeweile?

Foto: epa/Sebastiao Moreira
Foto: epa/Sebastiao Moreira

SÃO PAULO (dpa) - Okay, die Titel sind vergeben. Muss es deswegen langweilig sein? Nein! Formel 1 in Brasilien ist besonders, diesmal auch brisant. Die Gründe dafür liegen nicht alle auf der Strecke. Aber sie könnten dort eine Rolle spielen. Für Hamilton, für Vettel und für Verstappen.

Von wegen keine Aufregung mehr. Weltmeister Lewis Hamilton wird sich wegen seines heiß geliebten roten Privatjets auf unangenehme Fragen um Briefkastenfirmen und Steuertricks einstellen müssen. Um Sebastian Vettels Arbeitgeber Ferrari herrscht wegen der Rückzugsdrohungen von Boss Sergio Marchionne noch Redebedarf. Nebenbei geht es um den Sieg bei einem der Klassiker im Rennkalender, den erneuten Abschied des einzigen noch verbliebenen Brasilianers im elitären Feld der Formel-1-Piloten und die Einstimmung auf die nächste Saison.

Aber der Reihe nach. Der Große Preis von Brasilien steht an, das vorletzte Rennen des Jahres. Hamilton reist zum ersten Mal als viermaliger Weltmeister an. Vettel zum ersten Mal als der geschlagene Herausforderer, der bis zur Sommerpause noch in Führung gelegen hatte. Ein paar freie Tage, um die entscheidende bittere Niederlage in einem denkwürdigen Mexiko-Rennen zu verdauen, «dann versuchen wir, die Saison so zu Ende zu bringen, wie es das Team verdient hat», sagte Vettel.

Nur Siege dürften einigermaßen trösten. Erst recht in Zeiten, in denen Ferraris oberster Bestimmer damit droht, sich nach einer geplanten Regeländerung mit einem neuen Motorenkonzept ab 2021 zurückzuziehen. Mal wieder. Ferrari, unter dem ehemaligen Formel-1-Herrscher Bernie Ecclestone gern mit Sonderrechten und Sondervergütungen ausgestattet, pocht auf seine einzigartige Stellung. Kein Rennstall außer Ferrari ist von Beginn an (1950) dabei. Seit 2007 (Kimi Räikkönen in einem denkwürdigen Finale in Brasilien!) wartet die Scuderia aber nun schon auf den nächsten Fahrertitel.

In dieser Saison siegte Ferrari dank Vettel zuletzt im August auf dem Hungaroring bei Budapest. Seitdem ist vor allem Hamilton-Zeit, hier - in Malaysia - und da - in Mexiko - unterbrochen vom niederländischen Jahrhunderttalent Max Verstappen. Voller Vorfreude auf die brasilianischen Churrascaria-Tempel mit Grillfleisch zum Abwinken trotz Gewichtslimit will der 20-Jährige nach seinem famosen Rennen im Regen vor einem Jahr, als er beim ungefährdeten Hamilton-Sieg in den letzten 17 Runden bei schwierigsten Bedingungen 14 Plätze gutmachte, noch eins draufsetzen. «So wie ihr euch denken könnt, hoffe ich wieder auf ein nasses Rennwochenende», sagte Verstappen.

Denn Siege in Brasilien sind besondere. Die Südamerikaner lieben und leben die Formel 1, es ist das Land der 1990 tödlich verunglückten Formel-1-Ikone Ayrton Senna. Umso emotionaler werden sie ihren einzigen noch verbliebenen aktuellen Piloten verabschieden. Diesmal soll es endgültig sein, nachdem der mittlerweile 36 Jahre alte Felipe Massa schon vor einem Jahr der Motorsport-Königsklasse «Adeus» gesagt hatte, tränenreich und vorzeitig nach einem Rennunfall im Williams.

Er war es, dem 2008 Hamilton doch noch den WM-Titel ausgerechnet beim Heimrennen des Paulista wegschnappte und erstmals den Titel holte. Nun wird Hamilton als viermaliger Champion und 62-maliger Grand-Prix-Gewinner anreisen. Ob im eigenen Flieger - Marke Bombardier, Typ Challenger 605 - ist noch offen. Davor, daneben, auf den Tragflächen hockend. Nicht selten postete der Brite schon Fotos in den sozialen Netzwerken von sich und dem roten Prunkstück. In Brasilien dürften sich die Gespräche auch um sein bevorzugtes Transportmittel drehen, bei dessen Einfuhr Hamilton laut «Paradise Papers» ein paar Millionen gespart haben soll. Alles legal, betonten bereits die Anwälte des 32 Jahre alten Briten.

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