Berlin will Militär gegen den IS einsetzen

Hollande berät mit Putin

Foto: epa/Kay Nietfeld
Foto: epa/Kay Nietfeld

BERLIN/MOSKAU: Die Bundesregierung vollzieht im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) eine dramatische Kehrtwende: Deutschland will sich nun auch militärisch am internationalen Einsatz gegen die Terrororganisation in Syrien und im Irak beteiligen - und zwar auch ohne UN-Mandat.

Knapp zwei Wochen nach den Anschlägen von Paris beschloss die Regierung am Donnerstag, einer entsprechenden Bitte von Frankreichs Präsidenten François Hollande nachzukommen. Dieser beriet am Donnerstag mit Kremlchef Wladimir Putin über eine gemeinsame Strategie im Kampf gegen den Terrorismus.

Konkret will Deutschland mit «Tornado»-Aufklärungsjets und einem Kriegsschiff in den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat eingreifen. Zudem sollen ein Tankflugzeug und Satellitenaufklärung zur Verfügung gestellt werden. Das beschlossen Kanzlerin Angela Merkel und die zuständigen Minister am Donnerstag in Berlin. Merkel sagte, man dürfe einem weiteren Erstarken des IS nicht zuschauen.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (links im Bild) betonte, dass es auch um die Glaubwürdigkeit Deutschlands gehe. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (rechts im Bild) wies darauf hin, dass das «menschenverachtende Wüten» des IS auch jederzeit Deutschland treffen könne.

Vier bis sechs «Tornados» sollen die Kampfjets der Anti-IS-Koalition in Syrien und im Irak unterstützen, selbst aber keine Bomben abwerfen. Luftangriffe gegen die Terrormiliz werden bisher von den USA, Frankreich, Großbritannien, Russland und arabischen Staaten geführt. Die Fregatte soll den Flugzeugträger «Charles de Gaulle» absichern, den die Franzosen ins östliche Mittelmeer geschickt haben. Die Tankflugzeuge sollen mit Treibstoffversorgung in der Luft längere Angriffsoperationen ermöglichen.

Die Bundestagsberatungen über den Einsatz sollen möglichst schon kommende Woche abgeschlossen werden. Das Parlament hat das letzte Wort, eine Mehrheit mit den Stimmen der Koalition gilt aber als sicher. Bislang hat sich Deutschland in der Region darauf beschränkt, die kurdische Peschmerga-Armee im Nordirak für den Kampf gegen den IS auszubilden. Mit einer Beteiligung an den Luftangriffen wäre die Bundeswehr zum dritten Mal in ihrer Geschichte in einen offensiven Kampfeinsatz involviert - nach dem Kosovo-Krieg und dem Kampf gegen die Taliban in Afghanistan.

Der französische Präsident Hollande, der sich in dieser Woche schon mit den USA, Großbritannien, Deutschland und Italien über einen gemeinsamen Kampf gegen den IS abgestimmt hatte, sagte zu Beginn des Treffens mit Putin: «Deshalb bin ich in Moskau: Um festzustellen, wie wir handeln und uns abstimmen können, um diese Terrorgruppe zu treffen.» Weiter sagte Hollande: «Wir müssen diese breite Koalition gemeinsam bilden, um den Terrorismus zu schlagen.»

Putin, dem der Westen vorwirft, mit seinem militärischen Eingreifen in Syrien den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad gegen seine politischen Gegner zu unterstützen, sagte, die jüngsten Anschläge würden beide Länder zwingen, ihre Bemühungen zu vereinigen. «Wir sind bereit zu dieser Zusammenarbeit, mehr noch, wir halten sie für absolut notwendig.»

Schon vor dem Eintreffen des Franzosen bekräftigte Putin seinen Willen zur Bildung einer breiten Anti-Terror-Koalition. «Es sollte endlich eine einheitliche mächtige Kraft entstehen, die die Handlungen des russischen Militärs unterstützt, das erfolgreich gegen Terroristengruppen in Syrien vorgeht.» Die Bemühungen um internationale Kooperation werden durch den Abschuss eines russischen Kampfjets durch die türkische Luftwaffe im syrischen Grenzgebiet überschattet.

Dessen ungeachtet bombardierten russische Kampfjets Aktivisten zufolge erneut Stellungen syrischer Rebellen an der Grenze zur Türkei. Sie griffen unter anderem eine Bergregion nahe der Küste an, in der viele Angehörige der ethnischen Minderheit der Turkmenen leben. Die Türkei fühlt sich den Turkmenen in Syrien eng verbunden.

Putin verurteilte das Vorgehen der Türkei erneut scharf. «Wir halten solche verräterischen Stöße in den Rücken von jenen, die wir im Kampf gegen den Terror als Partner und Verbündeten sahen, für absolut unerklärlich», sagte der Präsident der Agentur Interfax zufolge. Er erwarte eine Entschuldigung Ankaras sowie die Bestrafung der «Verbrecher».

Der russische Regierungschef Dmitri Medwedew wies sein Kabinett an, nach dem «aggressiven Akt» ein «System von Antworten» an die Türkei auszuarbeiten, das sich etwa auf Tourismus, Handel und Flugverkehr beziehe. Die russische Agraraufsicht verschärfte die Kontrollen für türkische Lebensmittel.

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan wies die Forderung nach einer Entschuldigung scharf zurück. «Die, die unseren Luftraum verletzt haben, sind diejenigen, die sich entschuldigen müssen», sagte Erdogan dem Sender CNN International.

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Jack N.Kurt Leupi 22.12.16 18:13
BERLIN ZIEHTS GEN ASIEN
Also doch, den Marionetten , dem Volk , wurden die Fäden gezogen,die Puppen sind erledigt.Die europ.Grossmacht will wieder aufs Schlachtfeld zurück. Obwohl Terror kein Krieg ist, sondern eine Taktik, die in den Schrumpfhirnen der Jihadisten und Salafisten grasiert und in Geschwüren ausartet, kann man den jetzt benannten Krieg gegen die Ideologie kaum gewinnen,Da bei den Terrorkämpfern ja auch etwa 700 deutsche Staatsangehörige ihre Bluttat verrichten, käme es zu einem Deutsch gegen Deutsch Duell, also Bürger gegen Bürger = Bürgerkrieg.Würde aber die deutsche Führung den Krieg auf wirtschaftlicher Basis führen, zB.Kontoeinfrierungen der IS-Miliz, Waffenlieferungen an Saudis und Qataris sofort einstellen, keine Oel-Gaslieferungen annehmen etc.und die anfangs unterstützten Kurden, Perschmergas und Yesiden weiter mit Waffen und anderem Kriegsmaterial beliefern ,könnten sich doch die Deutschen von diesem schmutzigen und Kollateralschäden verursachenden Gemetzel fernhalten, zumal zu Hause noch keine grösseren Anschläge ausgeführt wurden!Aber wenn einem gute Freunde, wie die Amis und Nato-Mitgliedschaft etc. dazu zwingen, darf man doch nicht abseits stehen !
Jack N.Kurt Leupi 22.12.16 18:13
In den Krieg ziehen
Man kann einen Krieg genausowenig gewinnen wie ein Erdbeben.Und mein Sohn (halb CH,Halb TH)erwähnt noch nebenbei: Nur ein Dummkopf verteidigt seine Heimat mit dem Leben !
Jack N.Kurt Leupi 22.12.16 18:13
Deutschland zieht in den Krieg
Wenn die ersten toten Soldaten nach Hause kommen, wird wahrscheinlich das politische Winter-Klima kälter !
Jürgen Franke 05.12.15 16:49
Zu diesem Thema
erlaube ich mir den Hinweis auf die "Heute Show" vom 04.12.2015. Damit sind alle Fragen geklärt.
Jürgen Franke 04.12.15 17:42
Und keiner
hat in Deutschland den Mut gehabt, wie seinerzeit Schröder zum Irakkrieg, jetzt auch zu Frankreich "Nein" zu sagen. Klar ist, dass der Bundestag zustimmen wird. Nur die LINKEN nicht. Aber die will ja keiner, obwohl die die besseren Argumente liefern.
Michael Hellwig 27.11.15 13:50
Sterben fuer eine Religion?
Im Nahostkonflikt geht es um Rohstoffe und Energie, die dem Westen zu teuer werden. Religionen dienen nur dazu, die Beteitschaft zum Sterben zu erhoehen. Dabei ist es relativ gleichgueltig, ob die Religion Islam heisst oder "Terrorismusbekaempfung". Religionen sind auch austauschbar, d.h. die Bundesregierung muss mit jeder Menge Ueberlaeufern rechnen - sowohl im Ausland als auch in Deutschland.
Durch einen Kriegseinsatz erhoeht die Bundesregierung eben jene "Terrorismus"-Gefahr, die sie zu bekaempfen vorgibt.
Frau von der Leyen und Herr Steinmeier moegen doch bitte mal bei Herrn Schaeuble nachfragen, was vor einigen Jahren gemeint hatte, als er feststellte, dass die BRD auch anfangs Unschuldige nicht aus Guantanamo zuruecknehmen koenne, weil die Gefahr bestehe, dass diese erst in Guantanamo zu "Terroristen" gemacht worden seien. Und diese (m.E. richtige) Erkenntnis dann bitte auf die gegenwaertige Lage anwenden.
Michael Hellwig 27.11.15 11:57
Einladung zum Krieg
Der Bundesregierung sollte klar sein, dass sie mit einem Kriegseinsatz den Krieg nach Deutschland holt.