Behörden nehmen weitere Mitarbeiter von Universitäten fest

 Der in den USA lebende Prediger Fethullah Gülen. Foto: epa/Selahattin Sevi/zaman Daily News
Der in den USA lebende Prediger Fethullah Gülen. Foto: epa/Selahattin Sevi/zaman Daily News

ISTANBUL (dpa) - Erneut geht die türkische Polizei gegen Akademiker vor. Zahlreiche Universitätsmitarbeiter werden festgenommen, darunter ein bekannter Regierungskritiker. Sie sollen Verbindungen zur Gülen-Bewegung haben.

Die türkischen Behörden gehen trotz einer Großkundgebung der Opposition für Gerechtigkeit erneut gegen Akademiker vor. 42 Mitarbeiter von zwei Istanbuler Universitäten wurden am Montag festgenommen, wie die Nachrichtenagentur DHA berichtete. Unter ihnen sei der regierungskritische Politikwissenschaftler Koray Caliskan, der an der bekannte Bogazici Universität lehrt. Insgesamt habe die Staatsanwaltschaft die Festnahme von 72 Universitätsmitarbeitern angeordnet.

Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, zudem sei Polizeigewahrsam für 43 aktive oder ehemalige Mitarbeitern des Büros des Ministerpräsidenten angeordnet worden.

Allen wird vorgeworfen, Verbindungen zu dem in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen zu haben, den die Türkei für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich macht. Die Gülen-Bewegung gilt in der Türkei als Terrororganisation. Die nun Festgenommenen werden laut Anadolu beschuldigt, den Messenger-Dienst ByLock benutzt zu haben. Über den Dienst sollen Gülen-Anhänger unter anderem für die Vorbereitung des Putschversuchs kommuniziert haben.

Unterdessen gibt es Ärger um geplante Auftritte türkischer Politiker bei Gedenkfeiern anlässlich des Putschversuchs in Europa. Österreich verbot am Montag einen Auftritt des türkischen Wirtschaftsministers Nihat Zeybekci in Wien mit Verweis auf die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Das türkische Außenministerium kritisierte die Entscheidung und warf Österreich vor, in seinem Anspruch, demokratische Werte zu verteidigen «nicht ehrlich» zu sein.

In Deutschland hat nach Angaben des Auswärtigen Amts ein türkischer Politiker eine Auftritt anlässlich der Gedenkfeiern beantragt. Es handele sich nicht um ein Regierungsmitglied, hieß es. Der Antrag werde geprüft. Die deutsche Bundesregierung hatte jüngst einen Auftritt des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan verboten. Er wollte vor Landsleuten in Deutschland während seiner Reise zum G20-Gipfel sprechen.

Unter dem nach dem Putschversuch verhangenen Ausnahmezustand gehen die türkischen Behörden rigoros gegen vermeintliche Gülen-Anhänger vor. Zehntausende wurden verhaftet, zahlreiche Medien geschlossen und mehr als 100.000 Staatsbedienstete per Notstandsdekret entlassen oder suspendiert.

Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu hatte am Sonntag zum Abschluss eines mehr als 400 Kilometer langen «Gerechtigkeitsmarschs» von Ankara nach Istanbul die Maßnahmen unter dem Ausnahmezustand kritisiert und dessen Aufhebung gefordert. Vor Hunderttausenden Anhängern warf er Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan vor, der Justiz Anweisungen zu erteilen.

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