Banges Warten auf Bali

Foto: epa/Made Nagi
Foto: epa/Made Nagi

KARANGASEM (dpa) - Fast eine Woche schon gilt am Mount Agung auf Bali nun schon die höchste Warnstufe. Heißt: Der Vulkan könnte jederzeit ausbrechen. Mehr als 120.000 Anwohner sind geflohen. Aber längst nicht alle.

Ein Sack voller Kleider und das, was sie am Leibe trägt: Mehr konnte Ni Nyoman Maneh nicht mitnehmen, als sie vor jetzt schon fast einer Woche ihr Dorf am Mount Agung, dem höchsten Berg von Indonesiens bekanntester Ferieninsel Bali, verlassen musste. Jetzt sitzt die 43-Jährige in einer Notunterkunft, gut 20 Kilometer weiter. Den Vulkan, der praktisch jederzeit ausbrechen kann, kann man gut sehen von hier. Ganz friedlich sieht er aus.

«Ich habe alles zurück gelassen: mein Haus, meine Farm, meine Kühe. Die ganze Zeit denke ich daran, was mit meinem Besitz passiert», sagt Maneh. Die kleine Frau ist eine von inzwischen mehr als 120.000 Leuten. So viele Balinesen haben sich seit Freitag vergangener Woche, als die Behörden die höchste Warnstufe ausriefen, vor dem Gunung Agung in Sicherheit gebracht.

Nach mehr als einem halben Jahrhundert der Ruhe brodelt es im Inneren des mehr als 3.000 Meter hohen «Wunderbaren Berges», wie er in Landessprache heißt, wieder kräftig. Mehrere hundert Erdstöße werden pro Tag registriert. Die Lava ist gefährlich nahe am oberen Rand des Kraters angelangt. Zudem steigen Gase auf - alles Zeichen, dass es bald losgehen könnte. Das Gebiet rund um den Vulkan ist Sperrzone, für Einheimische genauso wie für ausländische Wanderer.

Aber ob der Vulkan tatsächlich ausbrechen wird - und wenn ja, wann - weiß niemand. «Die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert, ist hoch», sagt Sutopo Nugroho, der Sprecher der Katastrophenschutzbehörde. «Aber wir haben keine Ahnung, wann.»

Für die Leute, die rund um den Berg zu Hause sind, wäre eine Eruption eine Katastrophe. Die meisten leben auf dem fruchtbaren Boden von Ackerbau und Viehzucht. Viele haben noch versucht, ihre Tiere zu verkaufen, bevor sie ihre Dörfer verließen, um dann zunächst einmal in Sporthallen, Schulen oder auch auf offenem Feld zu übernachten. Viele sind aber auch geblieben. Die Angst, dass Vieh oder anderer Besitz gestohlen wird, kann größer sein als die vor dem Vulkan.

Dabei ist die Gefahr nicht gering. Als der Gunung Agung das vorige Mal ausbrach, im Frühjahr 1963, nach 120 Jahren der Ruhe, kamen mehr als 1.100 Menschen ums Leben. Viele wurden damals von sogenannten pyroklastischen Strömen überrascht - einer Art Glutlawine aus Lava, Steinbrocken und Gas, die enorm schnell werden kann. Experten fürchten, dass sich dieses Drama wiederholen könnte. Damals dauerte es Monate, bis sich der Vulkan wieder beruhigte.

Auf Bali kennt jeder die Geschichten von damals. Von den Leuten, die geflohen sind, haben deshalb viele vorsichtshalber ihre Kühe mitgebracht, genauso wie Bettzeug und Haushaltsgeräte. Maneh hatte keine Zeit dafür. «Ich wollte nicht weg», erzählt die 43-Jährige, die normalerweise in dem Dorf Sebudi auf der Westseite des Vulkans zu Hause ist. «Aber all meine Nachbarn sind gegangen, und dann bin ich es auch.»

Ketut Ardika hat seine Frau und die beiden Kinder auch schon gleich am Freitagabend vergangener Woche auf den Motorroller gesetzt. «Es ist jetzt besser, hier zu sein. Wenn wir geblieben wären, hätte ich nicht gewusst, ob wir bei einem Ausbruch noch rausgekommen wären. Die Straßen sind schlecht bei uns. Da ist nur Platz für ein einziges Auto auf ein Mal, mehr kommen nicht durch.»

Ein anderer Flüchtling, Nengah Miasa, berichtet, dass die Erdstöße unerträglich geworden seien. «Das waren schon zwei oder drei jede Stunde», sagt der Vater von zwei Kindern. «Wir hatten echt große Angst.» Jetzt sitzt er mit Frau und Kindern auf dem Boden einer Turnhalle in der Gemeinde Semarapura. Eigentlich ist dort Platz für 1.500 Leute. Jetzt leben darin 4.000.

Und alle warten darauf, dass endlich etwas passiert. Kaum einer ist zufrieden damit, jetzt untätig herumsitzen zu müssen. Trotzdem ist die Stimmung nicht schlecht. Ketut Agus Dwi Adnyana berichtet, dass er und die anderen Flüchtlinge mit großer Freundlichkeit aufgenommen wurden. «Die Leute hier geben uns Schutz und Essen. Sie behandeln uns wie eine große Familie.»

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