Ausschaffung krimineller Ausländer

Foto: epa/Ennio Leanza
Foto: epa/Ennio Leanza

BERN: Heute tritt das Gesetz zur Ausschaffungsinitiative in Kraft, die vor sechs Jahren vom Volk angenommen wurde. Dies bedeutet Mehrarbeit für die Justiz. Das Wort „Ausschaffung“ wurde in der Schweiz zum Wort des Jahres 2010 gekürt und bedeutet die Vollstreckung der Ausreisepflicht einer Person aus einem Staat.

Das neue Gesetz sagt, dass verurteilte Ausländer jeglichen Geschlechts und unabhängig von der Höhe der Strafe automatisch ausgeschafft werden, sobald sie ihre Haftstrafe verbüßt haben. Zusätzlich dürfen sie die Schweiz für fünf bis 15 Jahre nicht mehr betreten.

Die Liste der Ausschaffungsdelikte ist lang: Sozialversicherungs- oder Steuerbetrug. Brandstiftung, Herstellung von Sprengstoff, vorsätzliche Verbreitung von menschlichen Krankheiten oder qualifizierte Störung des öffentlichen Verkehrs. Ebenso Zwangsheirat, Menschenhandel, sexuelle Handlungen mit Kindern, Vergewaltigung sowie Förderung der Prostitution. Und auch vorsätzliche Tötung, Beihilfe zum Selbstmord, schwere Körperverletzung wie auch Verstümmelung weiblicher Genitalien, Veruntreuung, Diebstahl, Raub, gewerbemäßiger Betrug, Hehlerei und Erpressung.

Ganz real könnte dies viele Ausländer treffen: Die Frau, die es nach einem Unfall unterlässt, einen Nebenverdienst von einigen Tausend Franken ihrer Unfallversicherung zu melden. Oder jenen 22-jährigen jungen Mann, der mit seiner 15-jährigen Freundin Zungenküsse austauscht und Petting macht. Oder den Familienvater, der Sozialhilfe bezieht und verschweigt, dass er ein paar Tausend Franken auf der hohen Kante hat.

Das neue Gesetz enthält aber auch eine Härtefallklausel. Sie kommt zum Zug, wenn der Landesverweis einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und das öffentliche Interesse an der Ausweisung nicht überwiegt.

Was ist ein schwerer persönlicher Härtefall? Die Staatsanwältekonferenz hat Empfehlungen erlassen, wann im Zusammenhang mit der eigentlich obligatorischen Landesverweisung ein Härtefall vorliegt. Folgende Kriterien sollen beurteilt werden: Integration, familiäre und finanzielle Situation, Arbeits- oder Ausbildungswille, Anwesenheitsdauer in der Schweiz, Gesundheitszustand und Wiedereingliederungsaussichten im Herkunftsland des Ausländers.

Der Justizapparat könnte durch die Folgen des neuen Gesetzes personell und finanziell an die Grenze seiner Belastbarkeit gelangen. Wird eine Landesverweisung beantragt, muss der Staatsanwalt den Fall als Anklage ans Gericht bringen. Der Betroffene hat Anrecht auf einen Verteidiger. Weil eine Landesverweisung oft die weit härtere Maßnahme ist als die eigentliche Strafe, dürften viele Fälle nach dem Urteil des Bezirksgerichts noch ans Obergericht und später wohl ans Bundesgericht weitergezogen werden.

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