Aufklärung im Datenskandal gefordert

EU-Justizkommissarin Vera Jourova gibt eine Pressekonferenz. Foto: epa/Olivier Hoslet
EU-Justizkommissarin Vera Jourova gibt eine Pressekonferenz. Foto: epa/Olivier Hoslet

LONDON/BERLIN (dpa) - Einen Fehler hat Facebook-Chef Mark Zuckerberg schon eingestanden. Der Politik ist das zu wenig - nicht nur die Bundesregierung will genauer wissen, wie es zum Datenskandal um Cambridge Analytica kam.

Deutschland und die EU fordern im Skandal um die unerlaubte Nutzung von Facebook-Nutzerdaten Aufklärung. An diesem Montag empfängt Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) in Berlin Vertreter des sozialen Netzwerks. Auch EU-Justizkommissarin Vera Jourová pochte auf eine Erklärung des US-Unternehmens: «Ich verlange von Facebook weitere Klarstellungen, etwa inwieweit europäische Nutzer betroffen sind», sagte sie der «Bild am Sonntag». Der Missbrauch von Daten von 50 Millionen Facebook-Nutzern durch die Firma Cambridge Analytica im US-Wahlkampf sei «völlig inakzeptabel».

Vor rund einer Woche war bekanntgeworden, dass sich die britische Datenanalyse-Firma Cambridge Analytica unerlaubt Zugang zu einigen Daten von Millionen Facebook-Profilen verschafft hat. Mit Hilfe dieser Daten sollen amerikanische Wähler im US-Präsidentschaftswahlkampf zugunsten von Donald Trump gezielt mit unerlaubter Wahlwerbung beeinflusst worden sein.

In Großbritannien gibt es dem «Guardian» zufolge zudem Hinweise, dass Cambridge Analytica enge Verbindungen zu der kanadischen Datenanalyse-Firma AggregateIQ hatte, die beim Referendum über den EU-Austritt Großbritanniens eine wichtige Rolle gespielt hat. Die Brexit-Kampagne des heutigen Außenministers Boris Johnson - «Vote Leave» - hat demnach 40 Prozent ihres Budgets in die Arbeit von AggregateIQ gesteckt. Einem ehemaligen Brexit-Wahlkämpfer zufolge soll über eine gesonderte Scheinkampagne sogar noch mehr Geld nach Kanada geflossen sein. Johnson bestreitet das. Die britische Wahlkommission ermittelt bereits, ob «Vote Leave» die gesetzlichen Obergrenze für Wahlkampfausgaben überschritten hat.

Im Zusammenhang mit den von Cambridge Analytica erlangten Facebook-Daten ließ die britische Datenschutzbehörde ICO in der Nacht zum Samstag die Londoner Zentrale durchsuchen. Man werde nun Beweise sichern, auswerten und bewerten, bevor Schlüsse gezogen würden, hieß es in einer Mitteilung.

Facebook hatte zuletzt erklärt, Cambridge Analytica habe unrechtmäßig erhaltene Nutzerdaten entgegen früheren Zusicherungen nicht gelöscht. Dass die Firma Daten abgegriffen hatte, wusste das weltgrößte Online-Netzwerk seit 2015 - die Firma hatte sich aber mit der Zusicherung zufrieden gegeben, dass die Daten gelöscht worden seien. Die Nutzer wurden nicht informiert, was Facebook-Gründer und Chef Mark Zuckerberg als Fehler bezeichnete. Er betonte, dass die Software-Schnittstellen, die einer Umfrage-App einen so breiten Zugriff auf Nutzerdaten überhaupt möglich machten, bereits 2014 dichtgemacht worden seien.

Dennoch leidet das Facebook-Image. Erste Unternehmen kehren dem weltgrößten Online-Netzwerk zumindest zeitweise den Rücken - etwa der Elektroauto-Hersteller Tesla und die Raumfahrt-Firma SpaceX des Unternehmers Elon Musk, der sich schon öfter öffentlich mit Zuckerberg gestritten hat. Auch Mozilla, der Entwickler des Web-Browsers Firefox, kündigte an, keine Werbung mehr auf Facebook zu platzieren, bis die Firma Datenschutz-Einstellungen verbessere. Das Online-Netzwerk mit über zwei Milliarden Nutzern verdient praktisch sein gesamtes Geld mit Werbeanzeigen.

Im Konkurrenz-Netzwerk Twitter macht seit Tagen der Hashtag «#deletefacebook» («lösche Facebook») die Runde. Er wurde auch von WhatsApp-Mitgründer Brian Acton aufgegriffen, der seine Messaging-App einst für rund 22 Milliarden Dollar an Facebook verkauft hatte und bis vor kurzem dort auch beschäftigt war.

Ende Mai tritt die neue europäische Datenschutzgrundverordnung in Kraft, die unter anderem eine deutliche Erhöhung von Bußgeldern vorsieht. Das werde eine abschreckende Wirkung haben, sagte die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff der «Welt am Sonntag». Allerdings könne kein Gesetz Datenmissbrauch komplett verhindern.

Angesichts des Facebook-Skandals sieht der Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik, Arne Schönbohm, Verbesserungsbedarf. Das Beispiel zeige, «dass der Schutz in der Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen noch höherer Qualität bedarf», sagte er der «Rheinischen Post» (Samstag). Der Fall gehöre aufgeklärt und transparent gemacht. Die Möglichkeit einer Beeinflussung von Wahlen in Deutschland erkennt Schönbohm nach eigenem Bekunden indes nicht. «Wir haben in Deutschland im Vorfeld vergangener Bundestags- und Landtagswahlen Schutzmaßnahmen ergriffen, um Datenmissbrauch, wie er im Zuge der US-Wahl erfolgt sein soll, zu vermeiden.»

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