Auch Israel will Al-Dschasira schließen

Foto: epa/Noushad Thekkayil
Foto: epa/Noushad Thekkayil

JERUSALEM (dpa) - Al-Dschasira gerät immer stärker unter Druck: Nach dem Katar-Boykott will jetzt auch Israel das Büro des arabischen Senders schließen und die Ausstrahlung unterbinden. Doch das umzusetzen, könnte länger dauern.

Die Botschaft von Ajub Kara ist klar: Sicherheit geht vor Meinungsfreiheit. So begründet der israelische Kommunikationsminister die Entscheidung, den einflussreichen arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira in seinem Land zu schließen. Die Berichterstattung des Senders, der übersetzt «Die Insel» bedeutet, ist Israel schon seit langem ein Dorn im Auge.

«Das Al-Dschasira-Netzwerk hört nicht auf, rund um den Tempelberg zu Gewalt aufzuhetzen», schrieb Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zuletzt auf Facebook. Nach einem blutigen Attentat am Tempelberg in Jerusalem und neuen Sicherheitskontrollen für muslimische Gläubige war es zu schweren Unruhen gekommen. Israel wirft dem vom Emirat Katar finanzierten TV-Sender vor, mit seiner Berichterstattung Öl ins Feuer gegossen zu haben.

Al-Dschasira beteuert jedoch, die Berichterstattung über die Ereignisse in Jerusalem sei objektiv gewesen. Israel versuche auf undemokratische Weise, den Sender mundtot zu machen, hieß es in einer Stellungnahme am Montag.

Auch der Auslandspresseverband in Israel (FPA) reagierte kritisch auf die angekündigten Schritte. «Al-Dschasira ist ein gut angesehenes Mitglied und dieser Schritt der Regierung bereitet uns Sorgen», sagte der FPA-Vorsitzende Josef Federman.

Israel ist allerdings nicht das erste Land, das Al-Dschasira Hetze vorwirft. Der 1996 gegründete Sender steht im Zentrum der Krise um Katar. Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten und Bahrain boykottieren Katar seit Anfang Juni und fordern unter anderem eine Schließung der Medienorganisation. Sie kritisieren, dass Al-Dschasira Ägyptens Muslimbrüdern und anderen Islamisten in seinen Sendungen zu viel Raum biete. Der Kanal gilt als eines der Medien, die 2011 die arabischen Aufstände anfachten.

Im Nachbarland Jordanien wurde Al-Dschasira bereits geschlossen. Auch die Beziehungen zu den Palästinensern sind nicht ungetrübt: 2011 wurde das Büro des Senders in Ramallah von wütenden Anhängern des Präsidenten Mahmud Abbas verwüstet. Zuvor hatte Al-Dschasira die sogenannten «Palästina-Papiere» veröffentlicht: Rund 1.600 streng vertrauliche Dokumente über den Friedensprozess mit Israel. Die Palästinenserführung warf Al-Dschasira damals vor, mit einer gezielten Kampagne die Autonomiebehörde stürzen zu wollen.

Kommunikationsminister Kara sagte am Sonntag: «Fast alle Länder in unserer Region sind sich darin einig, dass Al-Dschasira den Terrorismus unterstützt.» Der Sender sei «ein Instrument des Islamischen Staats, der Hamas, der Hisbollah und des Irans».

Mit seinem englischsprachigen Sender erreicht «Al-Dschasira» nach eigenen Angaben mehr als 310 Millionen Haushalte in mehr als 100 Ländern. Er habe mehr als 3.000 Mitarbeiter mit mehr als 70 verschiedenen Nationalitäten. «Dies macht unsere Newsrooms zu den vielfältigsten der Welt», schreibt der Sender auf seiner Webseite.

Kara hatte am Sonntag angekündigt, das Büro von Al-Dschasira in Jerusalem solle geschlossen werden - dies betrifft den arabischen und den englischen Sender. Den Mitarbeitern des Kanals solle die Arbeitserlaubnis in Israel entzogen werden. Kabel- und Satellitenbetreibern sollten die Übertragung der Sendungen von Al-Dschasira stoppen. Netanjahu lobte danach auf Twitter, Kara habe «eine Reihe praktischer Schritte unternommen, um die Hetze von Al-Dschasira gegen Israel zu stoppen».

Bis zur Schließung kann es aber noch dauern. Die zuständigen Stellen reagierten eher zögerlich auf Karas Auftrag. Von dem Minister angekündigte Gesetzesänderungen könnten außerdem erst in Angriff genommen werden, nachdem sich das Parlament im Oktober wieder versammelt hat, schrieb die Zeitung «Haaretz» am Montag. Die meisten arabischen Zuschauer in Israel empfingen den Sender außerdem über private Satelliten, auf die die Behörden keinen Zugriff hätten.

Professor Amit Schejter, Leiter der Abteilung für Kommunikationswissenschaften an der Universität Ben Gurion in Beerscheva, sprach von einem extremen und «rein populistischen Schritt» der israelischen Regierung. Der Kommunikationsminister habe gar nicht die notwendige Befugnis, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. «Es wird wahrscheinlich gar nicht passieren.» Wenn es Vorwürfe der Hetze gebe, müssten diese vom Gericht geprüft werden, die Regierung könne das nicht allein entscheiden. «Wir sind doch nicht die Türkei.»

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