Anwalt: IS-Terrorhelfer sei Opfer

WIEN (dpa) - Sein Ziel soll der Weihnachtsmarkt in Ludwigshafen gewesen sein. Ein Zwölfjähriger sollte sich dort nach seiner Anleitung mit einer Nagel-Bombe in die Luft sprengen und viele Menschen in den Tod reißen. Nun steht der Wiener vor Gericht.

Er verbreitete laut Anklage Anleitungen zum Bombenbau unter dem Titel «Terroristen-Chefkoch» im Internet und wollte Anschläge in Deutschland sehen. Dafür soll er sogar einen Zwölfjährigen zu einem Selbstmordattentat auf einem Weihnachtsmarkt in Ludwigshafen angestiftet haben. Am ersten Verhandlungstag gegen den mutmaßlichen Wiener Islamisten ist davon nicht mehr viel zu spüren. Ruhig sitzt der 19-jährige Mann in der Mitte des Verhandlungssaals am Wiener Landgericht. Sein Anwalt sieht seinen Mandaten vielmehr selbst als Opfer der Ideologie der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Er soll von einem Mentor einer Gehirnwäsche unterzogen worden sein.

Für den Staatsanwalt gilt die These nicht. Die Anklage lautet auf versuchte Anstiftung zum Mord und zu einer terroristischen Straftat. Dass es überhaupt zu dem viel beachteten Prozess komme, sei nur «eine glückliche Fügung des Schicksals», so der Staatsanwalt. Wären die Pläne des 19-Jährigen aufgegangen, wäre der Angeklagte gemeinsam mit vielen Unschuldigen tot - denn er soll auch ein Selbstmordattentat geplant haben.

Der Mann gab beim Prozessauftakt zu, Mitglied einer terroristischen Vereinigung und kriminellen Organisation zu sein. Alle anderen Vorwürfe stritt er weitgehend ab. Ihm drohen bis zu 15 Jahre Haft.

Was war passiert? Im Herbst 2016, kurz vor dem Attentat auf den Berliner Breitscheidplatz, soll er einen damals erst zwölfjährigen Jungen dazu überredet haben, ein Selbstmordattentat in Ludwigshafen zu verüben. Die Anleitung für den Bau der Bombe soll vom Angeklagten gekommen sein. Sie gleicht dem Sprengsatz, der beim Anschlag auf ein Musikfestival im bayerischen Ansbach im Sommer desselben Jahres verwendet wurde. Die Nagel-Bombe detonierte nicht, der Junge legte sie in ein Gebüsch.

Die Staatsanwaltschaft bezeichnet den Angeklagten als Vorbild für den Jungen. Die Verteidigung dreht den Spieß um. Der Schüler soll bereits radikalisiert gewesen sein. Der heute 14-Jährige wird zurzeit außerhalb von Ludwigshafen betreut. Am Donnerstag soll er mittels Videokonferenz in das Wiener Gericht zugeschaltet werden.

In einem weiteren Punkt wird dem Wiener Angeklagten vorgeworfen, kurz nach dem gescheiterten Anschlag in Ludwigshafen eine eigene Bluttat geplant zu haben. Mit einer damals 16-jährigen Frau, die er nach islamischem Recht geheiratet hat, wollte er ein Selbstmordattentat auf die Militärbasis im pfälzischen Ramstein verüben. Sein Verteidiger tut diese Anschlagspläne als «naives Gebrabbel» ab. Kennengelernt hat der Wiener seine Mitstreiter über soziale Medien.

Die Frau selbst steht seit Februar in Düsseldorf vor Gericht und bestätigte die vorgeworfenen Anschlagspläne. Dort muss sich auch ein weiterer mutmaßlicher IS-Helfer verantworten, der in den Fall involviert ist. Der 22-Jährige aus Neuss soll dem Wiener ebenfalls bei dessen Planung eines Anschlags auf die US-Militärbasis unterstützt und ihm eine Unterkunft in Deutschland gegeben haben.

Aufgeflogen waren die Pläne, weil der Vater der Frau besorgniserregende Nachrichten am Handy seiner Tochter fand. Er alarmierte die Behörden.

Die kriminelle Laufbahn des Angeklagten begann aber schon deutlich früher. Wegen schweren Raubes saß er bereits im Gefängnis. Ein Mithäftling soll ihn mit dem IS-Gedankengut in Kontakt gebracht haben. Aufgewachsen war der Österreicher mit albanischen Wurzeln in einem atheistischen Elternhaus.

Ein aktuelles Deradikalisierungsprogramm in Haft soll bei dem Mann aber laut Behördenaussagen nur bedingt anschlagen. In seiner Zelle wurden Zeichnungen brennender Gebetshäuser und gewaltbereiter Glaubenskrieger gefunden. Zudem soll er Mitgefangene dazu gebracht haben, zum Islam zu konvertieren.

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