Angst vor ungefragten Fotos im Freibad

Foto: epa/Sebastian Kahnert
Foto: epa/Sebastian Kahnert

KARLSRUHE (dpa) - Das Smartphone könnte im Freibad bald zu einer größeren Gefahr werden als ein Sonnenbrand. Denn jeder kann jederzeit unbemerkt fotografiert oder gefilmt werden - und das Ergebnis ungefragt im Internet landen. Um das Persönlichkeitsrecht der Badegäste zu schützen, greifen immer mehr Betreiber deswegen zu einem radikalen Mittel: Sie verbieten das Fotografieren oder verbannen Smartphones komplett aus ihren Bädern. So verschärften mehrere Bäder im Bundesgebiet zu Beginn der Saison ihre Regeln.

Neue Schilder weisen zum Beispiel in Freiburg auf das Fotoverbot hin. Auch in den Chemnitzer Hallen- und Freibädern erinnern mehrsprachige Schilder und Visualisierungen an das Verbot. Die zunehmende Technisierung und Digitalisierung stelle vor allem Betreiber von Freibädern vor Herausforderungen, heißt es dazu von der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen aus Essen.

«Im vergangenen Jahr haben einige junge Männer mit Fotohandys andere Badende ohne deren Zustimmung fotografiert», berichtet ein Sprecher der Stadt Chemnitz. Deshalb die Schilder. Beschwerden dieser Art sind einer dpa-Umfrage zufolge zwar selten - doch die Sorge ist groß.

Den juristischen Hintergrund für die Verbote liefern das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Kunsturhebergesetzes. Verboten ist danach nicht das Fotografieren im öffentlichen Raum an sich, jedoch die Verbreitung oder Veröffentlichung ohne Zustimmung der abgebildeten Personen. Das gilt auch für soziale Netzwerke. Besonders sensibel ist die Situation in Schwimmbädern wegen der dort üblichen spärlichen Bekleidung, ganz besonders bei Kindern. Auch das Strafgesetzbuch kann greifen, wenn der höchstpersönliche Lebensbereich durch Bildaufnahmen verletzt wird.

In den Karlsruher Bädern etwa steht das Verbot in der Badeordnung. Die Schwimmmeister sprechen Gäste gezielt an, wenn sie sehen, dass mit dem Smartphone hantiert wird. Die Geräte sollen möglichst in den Taschen bleiben, sagt Geschäftsführer Oliver Sternagel. Wer ein Foto oder Video von seinem Kind machen möchte, solle vorher einen Schwimmmeister informieren. Sternagel rät den Gästen aber schon zum Schutz vor Diebstahl, teure Geräte zu Hause zu lassen.

Auch die Hamburger Bäderland GmbH mit zahlreichen Einrichtungen untersagt das Filmen und Fotografieren per Haus- und Badeordnung. Das Freizeitbad Arriba im schleswig-holsteinischen Norderstedt, das einschließlich Strandbad mit fast 800.000 Besuchern im Jahr zu den großen Bädern in Deutschland zählt, geht noch weiter. Dort ist jegliche Benutzung von Mobiltelefonen und auch Ferngläsern verboten. Timo Scheiba vom Aquaplex in Eisenach hält das Thema hingegen für «ein bisschen hochgekocht». In sechs Jahren habe er noch keine Probleme erlebt, sagt er.

Manche Bäder wählen eine Möglichkeit, die nur das Nutzen eines Smartphones als Kamera verhindern soll: Am Eingang wird ein sichtbares Siegel auf die Linse geklebt, das sich ähnlich wie eine Autovignette nur in Einzelteilen wieder ablösen lässt.

Unternehmer Holger Ditzel hat das Produkt 2004 auf den Markt gebracht, um Industriespionage zu verhindern. «Ein Fotografierverbot alleine bringt nichts, da hat man keine Kontrolle», sagt Ditzel. Aus dem Freizeitbereich hätten zunächst Thermen mit Saunabetrieb angefragt, später seien Freizeitbäder dazugekommen. In dieser Saison registriere er vermehrt Anfragen auch von Freibädern. Inzwischen seien es knapp 20 Bäder in Deutschland, Tendenz steigend.

Manche Schwimmbäder greifen zu einfachen Aufklebern, die eigentlich dazu gedacht sind, Linsen an Computern abzukleben, um Missbrauch durch Hacker zu verhindern. Diese seien jedoch leicht abzulösen und anschließend wieder aufzukleben, sagt Ditzel.

Die Deutsche Gesellschaft für das Badewesen stellt Badbetreibern ein Muster für eine Haus- und Badeordnung zur Verfügung, nach der das Fotografieren und Filmen fremder Personen und Gruppen ohne deren Einwilligung nicht gestattet ist. Die Badbetreiber sollten aber nach ihren Erfahrungen vor Ort entscheiden, was das Richtige ist, sagt Pressesprecher Joachim Heuser. Es gebe keine Statistik darüber, wie sich die mehr als 5.400 Schwimmbäder in Deutschland in dieser Frage entscheiden. Heuser sieht Probleme bei der Kontrolle: «In einem Bad, das an einem sonnigen Tag 5.000 oder mehr Besucher hat, dürfte es schwer bis unmöglich sein, ein Handyverbot zu überprüfen oder durchzusetzen.»

Ein Verbot heißt auch nicht zwingend, dass niemand mehr im Schwimmbad kurz aufs Handy schauen darf. So sind elektronische Geräte in der Thüringentherme Mühlhausen seit Jahren verboten - aber nur theoretisch. «Wenn da einer ein Handy hat, da wird keiner einschreiten. Die meisten telefonieren ja tatsächlich nur», sagt Betriebsleiterin Ellen Schill.

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Rupert Mohr 26.06.17 11:20
Unsinniges Verbot
Man kann es auch übertreiben. Vor allem, weil der Missbrauch dann eben nicht mit dem Telefon, sondern mit kleinen Minikameras erfolgen kann. Sieht aus wie ein Schlüsselanhänger und knipst/filmt.