Als Braut nach China verschleppt

​Menschenhandel ist in Kambodscha ein großes Problem

PHNOM PENH: Eine Frau treibt mit einer Lügengeschichte über ihre angeblich grausame Kindheit und Menschenhandel Millionenspenden ein. Sie wird entlarvt. Menschenhandel ist aber in Kambodscha ein echtes Problem, wie der Fall Khai Sochoeun zeigt.

Wie ein Stück Vieh ist die Kambodschanerin Khai Sochoeun in China als Braut verschachert worden: der Meistbietende bekam die zierliche Frau, und es begann eine monatelange Tortur mit Misshandlung, Sklaverei und Vergewaltigung, wie sie erzählt. Kambodscha ist bitterarm. Verzweifelte Eltern verkaufen ihre Kinder, skrupellose Onkel ihre Nichten, und manchmal junge Erwachsene sich selbst - in der Hoffnung auf einen lukrativen Job im Ausland, um die Familie mit dem Verdienst aus dem Armutssumpf zu ziehen.

Die Geschichten der Opfer sind grausam - doch ausgerechnet eine einheimische Aktivistin gegen den Menschenhandel wirft nun einen langen Schatten auf ihre Schicksale. Was stimmt und was ist erfunden? Somaly Mam tingelte als Darling der internationalen Helferszene jahrelang durch Talkshows in aller Welt, traf Promis und Präsidenten und erzählte, wie sie selbst als junges Mädchen an einen Chinesen und später in ein Bordell verkauft worden sei. Sie sammelte Millionenspenden für ihre Stiftung gegen sexuelle Ausbeutung.

Alles erlogen, wie Simon Marks in der US-Zeitschrift «Newsweek» dokumentiert. Wie auch die Geschichte eines anderen angeblichen Opfers, Long Pros. Sie erzählte entsetzten Spendern, ein Zuhälter habe ihr das Auge ausgestochen. Dabei hat sie, wie Marks herausfand, das Auge durch ein Geschwür verlorenen und war nie in einem Bordell. Somaly Mam habe die Horrorgeschichte mit ihr eingeübt, um mehr Spenden einzutreiben. Als er den Skandal im Mai publik macht, tritt Mam zurück. Die Stiftung macht weiter: sie habe über viele Jahre 100 000 Mädchen und Frauen geholfen, teilt sie mit.

Khai Sochoeuns Geschichte handelt nicht von ausgestochenen Augen. Sie berichtet vom alltäglichen Elend als verkaufte Braut in China. Sie sitzt im Hof der elterlichen Hütte in Kien Svay bei Phnom Penh und zeigt ihren Pass mit dem China-Visum. Die Menschenrechtsorganisation Licadho bestätigt, dass sie Khai bei der Rückkehr geholfen hat.

Khai sagt, sie sei mit einem Job-Angebot gelockt worden. 500 US-Dollar (367 Euro) sollte sie pro Monat in einer Fabrik verdienen - fünfmal so viel wie in Kambodscha. Einmal in Guangzhou angekommen habe der Mittelsmann sie dann aber neu eingekleidet, ihr befohlen, sich schön zu schminken und sie dann wie auf einer Viehauktion zur Schau gestellt.

Sie habe protestiert, doch der Mann habe mit einer hohen Rechnung für das Flugticket gedroht, falls sie nicht spure. «Ich hatte keine Wahl», sagt sie. Fortan habe sie für die siebenköpfige Familie ihres neuen Ehemannes putzen und waschen müssen. «Und ich musste immer für ihn bereit sein», sagt die 29-Jährige. «Sie wollten unbedingt, dass ich schwanger werde.» Als sie einmal alleine war, schaffte sie es, ihre Schwester telefonisch zu alarmieren.

Auch die Organisation Adhoc kümmert sich um Frauen, die unter falschen Versprechen nach China gelockt werden. «Dieser Menschenhandel hat in den vergangenen sechs Monaten zugenommen, sagt deren Chef Thun Saray. Die Organisation bekam in diesem Jahr schon Hilferufe von 24 Frauen. Im gesamten vergangenen Jahr waren es nur acht. Thun macht die chinesische Ein-Kind-Politik für den Anstieg verantwortlich. In vielen Familien wurden Mädchen abgetrieben, bis 2020 gibt es nach chinesischen Schätzungen einen Überschuss von 30 Millionen heiratswilligen Männern.

«Wir sind sehr besorgt, die Fälle nehmen zu», sagt Pol Pithey, im Innenministerium zuständig für den Kampf gegen den Menschenhandel. 2013 seien 20 Menschenhändler am Flughafen festgenommen und 35 Frauen gerettet worden. Niemand weiß, wie viele Banden mit ihren Opfern durchkommen. «Wir greifen mit Hilfe der chinesischen Botschaft durch», sagt Kirth Chantharith, Sprecher der Polizei. Die Botschaft habe versprochen, Visum-Anträge in Zukunft genauer zu prüfen.

(Foto: Rafael Ben-Ari - Fotolia.com)

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.