Alptraum Staudamm: Myanmarer hoffen auf endgültigen Baustopp

Foto: epa/Myitkyina News Journal
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MYITKYINA (dpa) - Myanmar entscheidet in Kürze über die Zukunft eines ebenso gigantischen wie umstrittenen Staudamm-Projekts. Obwohl Millionen Menschen noch keinen Strom haben, lehnt die Mehrheit den Bau vehement ab.

Dass bei den 300 000 Einwohnern von Myitkyina in der Kachin-Region im Norden Myanmars regelmäßig der Strom ausfällt, ist für viele nicht so wichtig. «Zuerst kommen die Menschen, dann die Elektrizität», sagt Manam Tu Ja. Er gründete 2013 die Demokratische Partei des Teilstaates Kachin, um mobil zu machen gegen einen gigantischen Staudamm: das Myitsone-Projekt gut 1000 Kilometer nördlich der Hafenstadt Rangun nahe der Grenze zu China.

Bei den meisten Anwohnern lief er offene Türen ein. Nach heftigen Protesten gegen den Damm stoppte der nach Jahrzehnten der Militärdiktatur ernannte Ex-General und Reformpräsident Thein Sein den Bau 2011 vorerst. Eine unabhängige Regierungskommission soll in diesen Tagen Empfehlungen vorlegen, ob und wie es weitergehen soll. Die Entscheidung trifft die Regierung von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi.

Einst führte sie selbst Kampagnen gegen das Projekt an. Heute muss sie als Außenministerin einen unmöglich scheinenden Spagat machen: Der Damm-Deal wurde von den Generälen der Junta 2007 mit einem chinesischen Staatsunternehmen geschlossen. Die China Power Investment Corporation (CPI) investierte schon mehrere Millionen Dollar, das Projekt sollte eigentlich 2018 fertig sein. Peking pocht darauf, dass der Vertrag eingehalten wird. China vor den Kopf zu stoßen, kann sich das arme Land nicht leisten.

Der mächtige Nachbar ist der größte Investor im Land, allein von Juli bis September 2016 hat China 1,3 Milliarden Dollar in die Energiewirtschaft investiert. CPI habe versucht, ihn umzustimmen, sagt Tu Ja. «Aber das hilft gar nichts», sagt der 70-Jährige. «Wenn es um den Irrawaddy geht, lassen wir nicht mit uns reden.»

Der Irrawaddy, das ist ein Fluss mit mystischer Bedeutung für das südostasiatische Land. Er beginnt im Norden am Zusammenfluss zweier Flüsse und fließt gut 2000 Kilometer in die Andamanensee. Das Delta ist eine riesige fruchtbare Ebene, wo Reis und vieles mehr angebaut wird. Für Hunderttausende Menschen, die fischen oder an den Ufern Felder haben, ist der Fluss das Lebenselixier.

«Es gab keine ordentlichen Studien zu den Folgen des Damms für die Umwelt und die Bevölkerung», sagt Mirco Kreibich von der Heinrich-Böll-Stiftung in Myanmar. Was ist mit den Fischbeständen? Mit dem Wasserpegel? Mit der nötigen Sedimentablagerung für fruchtbare Felder? Die Anwohner machen sich größte Sorgen. Myitsone sollte einer der größten Staudämme der Welt werden.

Wasserkraft ist in Asien ein heikles Thema. Umweltschützer und Menschenrechtler verweisen auf zahlreiche Fälle, wo Staudamm-Projekte ohne Abwägung der Risiken für Natur und Bevölkerung umgesetzt wurden. Menschen wurden ihrer Lebensgrundlage beraubt, umgesiedelt und nicht dafür entschädigt. Der Drei-Schluchten-Damm in China etwa gilt als abschreckendes Beispiel.

Auf einem Werbekalender des chinesischen Dammbauers am Eingang des Baustellengeländes werden die Vorzüge des Projekts angepriesen. 90 Prozent der Energie seien für Myanmar bestimmt. Selbst wenn das stimmt - Umweltschützer sagen, der meiste Strom solle über die nahe Grenze nach China gehen - lässt es die Einheimischen kalt.

Im Umsiedlungsdorf Aung Myin Thar leben gut 2000 Menschen, vertrieben aus drei Dörfern, die beim Staudammbau im Weg waren. Sie haben zwar Strom, aber glücklich sieht die Dorfgemeinschaft nicht aus. Kaum einer hat entlang der planierten Betonstraßen einen Garten angelegt. «In unserem alten Dorf konnten wir Felder bestellen und Vieh halten - hier nicht», sagt Pastor Marip Bawk San. Die Leute wollen zurück, wie er sagt. «Wenn Myanmar tatsächlich eine Demokratie ist, dann wird es diesen Damm nicht geben.»

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Detlev F. Neufert 12.11.16 23:03
Dass China sich Myanmar gefügig machen möchte, ist schon aus machtpolitischen und ökonomischen Gründen nicht verwunderlich. Doch die Burmesen vergessen nicht, dass China ein treuer Partner der Miltärdiktatur war. Die derzeitige Einlullpolitik mit dem Versprechen von Strassen und Schulen sehen die meisten Bürger als zynische Lüge an. Das Gros der Bevölkerung lehnt China ab. In allen Gesprächen, die ich u.a. mit Studenten und Arbeitern in den letzten Wochen zwischen Mandalay und Yangon geführt habe, wurde klar und deutlich gesagt: Wir wollen keine Chinesen in Burma. Sie beuten unser Land aus und ihre Versprechen sind hinterlistig und dienen nur dazu, sich an uns zu bereichern.