Abrechnung mit der Chefin: Steinbach verlässt CDU mit Getöse

Foto: epa/Klaus-dietmar Gabbert
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FRANKFURT/BERLIN (dpa) - Fünf Seiten ist das Schreiben lang - fünf Seiten, die es in sich haben. Nach mehr als 40 Jahren Zugehörigkeit zur CDU begründet Erika Steinbach darin ihren Austritt aus der Partei. Es ist eine Generalabrechnung mit ihrer Chefin, Kanzlerin Angela Merkel. Die langjährige Frankfurter Bundestagsabgeordnete und ehemalige Präsidentin des Bundes der Vertriebenen setzt ihren Abgang öffentlichkeitswirksam in Szene. Auch ihren Austritt aus der Fraktion erklärt sie - wie wollte sie sich dort auch noch blicken lassen?

Der krawallige Abgang überrascht die Partei wohl nicht mehr so ganz, da sich Steinbach in der CDU mit ihren harschen Angriffen auf Merkel wegen deren Flüchtlingspolitik sowie anderer Entgleisungen ins Abseits manövriert hatte. Doch zu Beginn des Bundestagswahljahres kommt der Austritt mit Getöse für die Union allemal höchst ungelegen, da die rechtskonservative Politikerin mit ihrer Kritik für einen Teil der Partei steht, um den die AfD heftig buhlt.

Steinbach wirft Merkel beim Euro-Rettungspakt und vor allem in der Flüchtlingspolitik fortgesetzten Rechtsbruch vor, weil sie in einer «einsamen Kanzlerentscheidung» im Herbst 2015 «eine Million Migranten ungesteuert und unüberprüft» nach Deutschland habe einreisen lassen. Darunter seien auch Terroristen gewesen. Merkel habe damit Deutschland «massiv» ökonomisch und kulturell geschadet.

Während führende AfD-Politiker angesichts solcher Worte am Wochenende frohlocken und die nun politisch Heimatlose umwerben, schweigen Bundes-CDU und Bundestagsfraktion. Die Hessen-CDU, der Heimatverband Steinbachs, spricht von «haltlosen und maßlosen» Vorwürfen. Der Austritt sei jedoch «absehbar» gewesen, sagt Generalsekretär Manfred Pentz und fordert Steinbach zugleich auf, ihr Mandat zurückzugeben.

Steinbach steht mit ihrer Kritik an der Flüchtlingspolitik in der konservativen Hessen-CDU nicht allein. An der Basis grummelte es im Flüchtlingsherbst 2015 vernehmlich. Doch Kritiker wurden von der Parteispitze unter Regierungschef Volker Bouffier, der in Wiesbaden mit den Grünen regiert, an die Kandare genommen. «Aus der CSU wäre Erika Steinbach nicht ausgetreten. Das ist sicher!», schreibt am Sonntag der CSU-Bundestagsabgeordnete Bernd Fabritius, seit 2014 Nachfolger Steinbachs im Präsidentenamt des Vertriebenverbandes.

In der Flüchtlingskrise kam offener Widerspruch in Hessen allein vom Berliner Kreis. Dieser aus Hessen agierenden erzkonservativen Gruppe, die seit Jahren bundesweit generell die Merkel-Politik kritisiert, gehört neben Steinbach auch der frühere CDU-Landtags-Fraktionschef Christean Wagner an. Er ist am Sonntag so ziemlich der Einzige, der Verständnis für Steinbachs Kritik äußert, wenn er auch den Parteiaustritt für falsch hält.

Ministerpräsident Bouffier hatte erst jüngst deutlich gemacht, dass die CDU um die Rückgewinnung der zur Alternative für Deutschland abgewanderten Wähler kämpfen wolle. Jede Form der Kooperation lehnt der CDU-Bundesvize aber strikt ab. Steinbach sieht dagegen die Rechtspopulisten als «Fleisch vom Fleische der CDU», wie sie der «Welt am Sonntag» sagte.

Ob die Partei auch die neue Alternative für sie selbst wird, lässt Steinbach am Sonntag offen. Sie will als fraktionslose Abgeordnete ihr Mandat bis zur Bundestagswahl behalten - und freut sich nach eigenen Worten darauf, wenn die AfD in den Bundestag einziehe, «damit es dort endlich wieder eine Opposition gibt».

Den Rückzug aus der Politik hatte Steinbach schon 2015 angekündigt. Was den Grünen-Abgeordneten Omid Nouripour - der wie diese den Wahlkreis Frankfurt am Main II im Bundestag vertritt - auf Twitter zu der Bemerkung veranlasst, Steinbach verlasse die CDU, «weil sie sie ja nicht mehr für ein Mandat braucht. Sehr charakterstark.»

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Jack Norbert Kurt Leupi 19.01.17 11:05
Generalabrechnung
Liebe Frau Merkel , Wir wollen das alles nicht schaffen,was Sie schaffen wollen-Wir wollen unser Land nicht verändern -Wir wollen unsere Heimat nicht verlieren-Wir wollen so leben ,wie unsere Vorväter gelebt haben ! Das ist unser Deutschland ! - Wir wollen keine multi-kulti-Gesellschaft-Wir wollen deutsche Traditionen behalten ,wie wir sie von unseren Vorvätern geerbt haben !-Und wir wollen nicht in einem Land leben , in dem unter Umständen junge Moslems die Mehrheit der männlichen Bevölkerung stellen ! Bitte , Angie , erhöre uns , sonst wählen wir Dich nicht mehr !
Jürgen Franke 18.01.17 16:53
Merkel abzuwählen ist lediglich
über ein Mißtrauensvotum im Bundestag möglich. Aber das jetzt vor der Wahl vorzunehmen ist überflüssig, da alle Deutschen im Herbst die Möglichkeit haben, diese Frau wieder zu wählen. Und sie wird wieder gewählt, bei der Dummheit des Volkes, das sich grundsätzlich nicht für Politik interessiert, sondern lediglich rummeckert.
Jürgen Franke 16.01.17 21:13
In dem Redaktionsbericht wird nicht
erwähnt, dass die fürchterliche Flüchtlingspolitik der Deutschen Bundeskanzlerin Merkel der Hauptgrund für den Brexit war. Nach dem Austritt von England ist die EU lediglich ein Scherbenhaufen, da damit der zweitgrößte Staat (BIP) ausgetreten ist. Damit ist die EU dramatisch geschwächt. Die Merkel hat Europa zertrümmert. Das muß uns nicht noch der Trump bestätigen. Frau Steinbach hat aber noch einige Fehler mehr aufgezählt, die die CDU Delegierten alle nicht mitbekommen haben, denn die haben 11 Minuten nach der Rede Merkels applaudiert. Möglicherweise könnte ein Rücktritt der Merkel eine Wende bringen.
Johann Riedlberger 16.01.17 21:11
"Entgleisungen"
Der Autor lässt hier eine kritische Distanz vermissen und zeigt dass er mit der aktuellen Regierungspolitik gleichgeschaltet ist. Die Kritik von Frau Steinbach halte ich für sehr fundiert, und für ihr konsequentes Einstehen für das Recht gebührt ihr Dank.
Ingo Kerp 16.01.17 13:30
Eine ordentliche Klatsche
hat Fr. Steinbach da der CDU und vornehmlich Fr. Merkel verpaßt. kein Wunder, das sich die CDU (noch) nicht dazu geäußert hat. Muß erst mal verdaut werden um etwas an Aussage zu finden, das eine verständliche Erklärung ist. Wer viele Jahrzehnte in der CDU war und auch einen nicht unwichtigen Posten bekleidet hat, kann ja nicht einfach abgewatscht werden. Das würde ja auf eine schlechte Parteiführung hinweisen.
Dracomir Pires 16.01.17 12:34
Wie böse und gemein ...
... Erika Steinbach doch ist. Sie erfrechte sich tatsächlich, Merkels nachhaltig verheerendes "Wir schaffen das" zu kritisieren.