55 Jahre Élysée-Vertrag

Foto: epa/Christophe Petit Tesson
Foto: epa/Christophe Petit Tesson

PARIS/BERLIN (dpa) - Feierstimmung kommt nicht richtig auf. Zwar können sich Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron über den 55. Jahrestag des Élysée-Vertrags freuen, der die Freundschaft der früheren «Erbfeinde» besiegelt. Doch in Berlin gibt es immer noch keine neue Regierung. Ob es aber zu einer neuen Koalition von Union und SPD kommt, wird erst der SPD-Parteitag am Sonntag zumindest vorentscheiden.

Der sozialliberale Senkrechtstarter Macron hofft auf eine neue Koalition, um bei der Neuaufstellung Europas einen stabilen und mächtigen Partner zu haben. Die Sondierungen hätten einen «echten Ehrgeiz für das europäische Projekt» gezeigt, lobte der 40-Jährige. In die deutsche Innenpolitik einmischen wolle er sich mit dieser Bemerkung aber nicht.

Merkel gab sich in Paris an der Seite des Jungstars betont zuversichtlich. «Deshalb gehe ich mal optimistisch an die Sache ran», meinte die CDU-Politikerin am Freitag. Sie glaube, dass sich beim SPD-Parteitag «viele (...) dafür einsetzen werden, dass wir dann auch zu Koalitionsverhandlungen kommen können.»

Ausgerechnet einen Tag nach dem SPD-Treffen, also am Montag, wollen Deutschland und Frankreich ihr Freundschafts-Jubiläum zelebrieren. Die Vorzeichen sind also ungewiss. Bundestag und französische Nationalversammlung kommen zu Sondersitzungen zusammen. Beim 50. Geburtstag des Freundschaftsvertrags hatte es eine Reihe von Feierlichkeiten in Berlin gegeben, Merkel und Macrons Amtsvorgänger François Hollande traten damals gemeinsam auf.

Französische Parlamentarier kommen nun nach Berlin, deutsche Abgeordnete fliegen nach Paris, nur die AfD hat ihre Teilnahme an der symbolischen Geste abgesagt. Und die Parlamente machen Druck. In einer gemeinsamen Resolution fordern sie von den beiden Regierungen genau das: einen neuen Élysée-Vertrag.

Damit nehmen die Volksvertretungen eine Forderung Macrons aus seiner Sorbonne-Rede vom vergangenen September auf. Den neuen Vertrag hätte er am liebsten schon jetzt unterzeichnet, aber wegen der Regierungsbildung in Berlin wurde daraus nichts. Nun muss es also eine Nummer kleiner gehen.

Aber was soll da eigentlich drinstehen? Das Abkommen werde der Partnerschaft «neue Dynamik verleihen», heißt es in der Resolution. Konkrete Verbesserungen für die Menschen in den Grenzregionen soll es geben, eine deutsch-französische Infrastruktur für Elektromobilität, vor allem aber gemeinsame Initiativen «zur Stärkung der Europäischen Union und deren Handlungsfähigkeit».

So weit her ist es mit den Gemeinsamkeiten genau an diesem Punkt bisher aber nicht. Macrons Forderungen nach einem Eurozonen-Haushalt, und einem europäischen Finanzminister sind vor allem in Merkels Union wenig populär. Immer wieder wird dort die Gefahr einer «Transferunion» beschworen, also die Sorge artikuliert, Deutschland müsse für die Schulden anderer Länder aufkommen.

Als Konrad Adenauer und Charles de Gaulle 1963 den Élysée-Vertrag unterschrieben, hielt sich die Begeisterung durchaus in Grenzen. Auf deutscher Seite hegten viele den Verdacht, dass der General damit die noch junge Bundesrepublik aus dem Machtbereich der USA herauslösen wollte. Deshalb stellte der Bundestag eine Präambel vorweg, in der er sich zur Freundschaft mit den USA und Großbritannien bekannte, was wiederum De Gaulle wenig gefiel. «Verträge sind wie junge Mädchen und Rosen. Sie halten so lange, wie sie halten», klagte der Staatschef, der in Frankreich immer noch als Held verehrt wird.

Und dennoch wurde damit, 18 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, eine Freundschaft zwischen zwei Staaten besiegelt, wie es sie sonst wohl nirgends auf der Welt gibt. Regelmäßige Treffen von Kanzler und Präsident, der Außen- und Verteidigungsminister, Austauschprogramme für Schüler und Studenten, mehrere tausend Städtepartnerschaften, nicht zuletzt die Gründung des deutsch-französischen Jugendwerks. Nun aber, 55 Jahre später, braucht auch diese Partnerschaft neue Impulse.

Den engen Rahmen der Politik verlassen - das war auch ein Motto von Merkel und Macron in der französischen Hauptstadt. Am Abend stand ein Konzert des in Argentinien geborenen und in Israel aufgewachsenen Pianisten Daniel Barenboim auf dem Programm. Für Merkel war dies durchaus symbolisch. Denn der Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper Unter den Linden habe viele Jahre in Paris gelebt. «Er ist so etwas wie ein globaler Bewohner», resümierte die Kanzlerin.

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