35.000 Baht bedingungsloses Grundeinkommen für alle?

 Foto: Orlando Bellini / Fotolia.com
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Ein verlockender Gedanke, der allerdings in Thailand derzeit kein Thema ist. Ganz anders als in Deutschland, Österreich und der Schweiz, wo immer lauter über bedingungslose Grundeinkommen nachgedacht wird. In Deutschland sind beispielsweise 1.000 Euro im Gespräch.

Crowdfunding Initiativen wie beispielsweise „Mein Grundeinkommen“ sammeln Geld ein und losen dann eine Handvoll Glückspilze aus, die ein Jahr lang jeden Monat 1.000 Euro bekommen und damit machen können, was sie wollen. Diese Experimente sind zum großen Teil erfolgreich, da die Erfahrung zeigt, die meisten Teilnehmer geben das Geld nicht unbedacht aus (auch das würde zumindest die Wirtschaft ankurbeln), sondern investieren bewusst in ihre Zukunft. Diese Projekte sind allerdings alle zeitlich begrenzt und beziehen sich auf einen relativ kleinen Personenkreis. Was würde wohl passieren, wenn die Politik ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Menschen einführen würde?

Zunächst vielleicht zum Beweggrund, weshalb immer mehr Vordenker und Politiker über ein bedingungsloses Grundeinkommen nachdenken. Im Laufe der letzten Jahrzehnte arbeiteten Industrie und Wirtschaft immer effizienter, d.h. die Produktivität stieg und steigt immer schneller, in Zeiten der digitalen Revolution werden allerdings immer weniger Arbeitskräfte benötigt. Neue Arbeitsplätze entstehen – zumindest bis jetzt – nicht im Ansatz in einer Zahl, die den Wegfall der alten Arbeitsplätze kompensieren könnte. Ein interessantes Beispiel derzeit ist Adidas. Der weltbekannte Turnschuhproduzent holt die Produktion zurück nach Deutschland. Kleiner Haken an der Geschichte aus Arbeitnehmersicht: Die Sportschuhe werden ausschließlich von Robotern gefertigt. Weitsichtigen Kapitänen in der Industrie und auch so manchem Politiker ist klar, diese Entwicklung könnte mittel- und langfristig zur Zerreißprobe für die Gesellschaft werden, falls es nicht gelingt, gezielt gegenzusteuern.

Problem der Finanzierbarkeit

Bei konkreten Umsetzungsvorschlägen gehen die Meinungen weit auseinander. Die einen wollen die Einkommensteuer abschaffen und die Mehrwertsteuer erhöhen, um das Projekt zu finanzieren, andere arbeiten mit negativer Einkommensteuer, der Phantasie sind (fast) keine Grenzen gesetzt. Die Schweiz führte übrigens im Jahre 2016 eine Volksabstimmung durch, die jedem Erwachsenen Schweizer 2.500 Franken pro Monat hätte bescheren können. Die Mehrheit der Wahlberechtigten wollte das allerdings nicht. Bei genauerer Betrachtung scheint die Rechnung auch in keinem der präsentierten Modelle aufzugehen. Kurz: Entweder ist der jeweilige Ansatz nicht finanzierbar oder er ist nicht bedingungslos. Der geneigte Leser fragt sich allerdings sowieso, ob es sinnvoll sein kann, Teile der Gesellschaft, die zusätzliche 1.000 Euro nicht einmal bemerken würden, aus rein rechtlichen Gründen beglü­cken zu müssen. Misstrauische Zeitgenossen hinterfragen auch die Begeisterung in Industrie und Wirtschaft für das Thema. Könnte etwa das bedingungslose Grundeinkommen dazu benutzt werden, um im zweiten Schritt den aus Unternehmersicht lästigen Sozialstaat loszuwerden. Perfide gedacht, wären die 1.000 Euro pro Monat dann die billigste Alternative um das untere Drittel der Gesellschaft bei Bier und TV von der Straße fern zu halten und mit dem Rest der Hamster die Gewinne weiter zu optimieren. Selbst wenn man etwas weniger polemisch an das Thema herangeht, stellt sich doch die Frage, ob genügend Menschen an einem schönen Sommertag nicht lieber am See und im Biergarten sitzen würden anstelle ihrer beruflichen Aufgabe nachzugehen, sobald es dafür keine wirtschaftliche Notwendigkeit mehr gibt. Auch drängt sich die Frage auf, ob es richtig sein kann alle gleich zu behandeln. Macht es Sinn, einfach nur faule Menschen aus staatlicher Sicht gleich zu behandeln mit Menschen die unverschuldet in Not geraten oder wirklich krank sind? Wohl kaum.

Wahrscheinlich geht der Grundgedanke in die richtige Richtung. Es kann auf Dauer nicht richtig sein, den gemeinsam erarbeiteten Wohlstand einer Gesellschaft ohne Sinn und Verstand zu konzentrieren (übrigens auch und gerade aus der Sicht der aktuellen Profiteure). Wahrscheinlich denkt man mit „Grundeinkommen“ in die richtige Richtung. Das „bedingungslos“ sollte jedoch in Frage gestellt werden.


Über den Autor

Christian Rasp ist Rechtsanwalt und seit 1992 in Thailand, Hongkong und China tätig. Er leitet ein spezialisiertes Consulting-Haus, lebt und arbeitet in Hua Hin, Bangkok und Hongkong. Die Kolumne Nachgefragt“ beschäftigt sich vorwiegend mit aktuellen ökonomischen Fragestellungen, die es verdienen, etwas genauer unter die Lupe genommen zu werden.

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Dracomir Pires 01.05.17 11:24
Geld für das süsse Nichtstun?
Erst kürzlich haben wir in der Schweiz ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle gnadenlos an der Urne abgeschmettert. Diese Schnapsidee ist also vom Tisch. Man stelle sich mal die Sogwirkung auf die ganze Welt vor, wenn die Migranten x-mal mehr verdienen als zu Hause. Die Auswirkungen wären noch verheerender als jene von Muttis "Wir schaffen das".