Vettel will nächsten Schritt zum Titel

 Sebastian Vettel. Foto: epa/Zsolt Czegledi
Sebastian Vettel. Foto: epa/Zsolt Czegledi

SPA-FRANCORCHAMPS (dpa) - Sebastian Vettel hat mit Familie in der Schweiz entspannt, Lewis Hamilton hat sich auch die Karibik gegönnt. In den belgischen Ardennen treffen die Rivalen nach der Formel-1-Sommerpause wieder aufeinander. Es wird emotional - auch aus anderen Gründen.

Nach dem Familienurlaub in der Schweizer Wahlheimat ist Sebastian Vettel bereit für den alles entscheidenden Saisonabschnitt im Kampf um den ersten Formel-1-Titel mit Ferrari. Mit einem Sieg 25 Jahre nach dem ersten Grand-Prix-Erfolg seines großen Vorbildes Michael Schumacher in Spa-Francorchamps will sich Vettel perfekt einstimmen auf das emotionale Heimrennen der Scuderia nur sieben Tage später. Zwei Grand Prix zum Abschied 2017 aus Europa, bei denen es um mehr als nur Punkte, sondern auch um Prestige und Psycho-Kämpfe geht. «Wir haben das beste Auto», sagt der WM-Spitzenreiter und ergänzt mit Blick auf den 7,004 Kilometer langen Kurs nahe der deutschen Grenze: «Unser Wagen war dort immer gut.»

14 Punkte beträgt Vettels Vorsprung auf Lewis Hamilton. Der Brite nutzte die freie Zeit nach dem ernüchternden vierten Platz von Ungarn unter anderem zum Trip in die Karibik inklusive Foto-Shooting für einen Sponsor auf Kuba. Um Vettel nach Punkten in den kommenden High-Speed-Tagen der Formel 1 zu überholen, würden dem Briten allerdings nicht mal zwei Siege reichen, solange Vettel es jeweils auf Rang zwei schafft.

Die Strecke in den Ardennen und erst recht der Kurs im Königlichen Park von Monza gelten als prädestiniert für den Silberpfeil. Vor einem Jahr gewann dort Nico Rosberg im Mercedes, vor zwei Jahren Hamilton. Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff warnt aber: «Solche Prognosen sind gefährlich - wir haben in dieser Saison schon zu oft erlebt, dass die Formkurve sich von einem Wochenende zum nächsten verändert hat.»

Tatsächlich konnte in diesem Jahr noch kein Pilot zwei Siege nacheinander bejubeln. Neben Vettel und Hamilton, die beide jeweils vier Rennen gewannen, holte Hamiltons Teamkollege Valtteri Bottas noch zweimal die volle Punktzahl. Mit 33 Zählern Rückstand ist der Finne Dritter im Klassement. Mit Platz elf wie bei einem selbst organisierten Duathlon (einem Ausdauerwettkampf im Laufen und Radfahren) in Finnland will er sich in Spa keinesfalls zufrieden geben - Bottas will um die WM mitkämpfen. Ein Sieg ging an Daniel Ricciardo im Red Bull. Ricciardo und Teamkollege Max Verstappen - dank großer Fan-Unterstützung aus den Niederlanden - dürften auch auf einen Podiumsplatz hoffen.

Hamilton, Bottas, Vettel - keiner von ihnen will jetzt schon rechnen, keiner will nur Zweiter werden, ob in Spa oder Monza, danach und am Ende der WM. Für den abgetreten Weltmeister Rosberg ist aber klar, wer das Rennen letztlich macht: «Ich bin immer noch felsenfest davon überzeugt, dass Mercedes das Ding nach Hause fahren wird. Aber Ferrari hält echt stark dagegen. Hut ab, was die für einen Sprung gemacht haben. Die waren ja im Niemandsland letztes Jahr.»

In Spa gewann Ferrari seit 2009 nicht mehr. 2010 im McLaren und 2015 siegte Hamilton, Bottas noch nie, 2011 und 2013 gewann Vettel auf der Mut-Strecke mit der legendären Eau Rouge noch zu Weltmeister-Zeiten im Red Bull. Den letzten Sieg eines Ferrari hatte Kimi Räikkönen geholt. Er ist der Rekordsieger in Spa unter den aktuellen Piloten mit vier Erfolgen.

An die sechs Siege Schumachers könnte er rechnerisch rankommen - Räikkönens Vertrag wurde am Dienstag um ein weiteres Jahr verlängert. Im Kampf der Nobel-Hersteller Ferrari vs. Mercedes fällt dem 37 Jahre alten Finnen allerdings die Rolle des Edelhelfers für Vettel zu. Der 30 Jahre Deutsche kann jeden Zähler gebrauchen, um am Ende der Saison Räikkönen als letzten Ferrari-Champion (2007) abzulösen. Vettel zöge dann auch nach Titeln mit Juan-Manuel Fangio gleich. Nur Schumacher, dessen Erfolgsstory so eng mit dem Kurs in Spa verbunden ist, wäre mit sieben noch zwei voraus.

Vor einem Vierteljahrhundert feierte Schumacher in Spa - ein Jahr nach seinem Formel-1-Debüt an selber Stelle - den ersten Sieg seiner weiter unerreichbar scheinenden 91-Rennerfolge. Sohn Mick, der sich in der Formel 3 auf mögliche höhere Aufgaben vorbereitet, soll Medienberichten zufolge vor dem Rennen am Sonntag (14.00 Uhr/RTL und Sky) mit dem Weltmeister-Auto seines Vaters von 1994 auf der Ardennen-Achterbahn für Nostalgie und Gänsehaut sorgen.

Michael Schumacher selbst wird wieder nur Erinnerung sein, seit seinem Skiunfall am 29. Dezember 2013 ist er nicht mehr in der Öffentlichkeit zu sehen gewesen. Er hatte sich ein schweres Schädel-Hirn-Traum zugezogen, tagelang um sein Leben gekämpft, wochenlang im künstlichen Koma gelegen. Seit September 2014 befindet er sich zuhause in seiner Schweizer Wahlheimat am Genfer See zur weiteren Rehabilitation. Genauere Informationen zu seinem Zustand gibt es mit Verweis auf die Privatsphäre des 48-Jährigen nicht. Ein Sieg an diesem Sonntag wäre für Vettel und Hamilton gleichermaßen besonders - der Brite kann auch den Schumacher-Rekord von 68 Pole-Positionen einstellen.

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