100-Tage-Bilanz von Österreichs Regierung

Kurz fühlt sich auf Kurs

Foto: epa/Vassil Donev
Foto: epa/Vassil Donev

WIEN (dpa) - Die rechtskonservative Regierung in Österreich hält strikt an ihrer Anti-Migrations-Haltung fest. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) möchte Europas Grenzen noch viel besser geschützt wissen. Wer so streng wie Australien und andere Staaten handle, ersticke die Migration schon im Keim. «Sie haben illegale Migration fast auf Null reduziert», sagte Kurz der Deutschen Presse-Agentur (dpa) nach 100 Tagen im Amt.

Die Aussicht auf ein besseres Leben in Europa, die der Kontinent immer noch verbreite, habe für viele im Mittelmeer gekenterte Flüchtlinge den Tod bedeutet. Das aktuelle Modell «ist viel eher ein Modell, das einigen hilft ihr Gewissen zu beruhigen, indem sie all jenen, die gerade ankommen, etwas Gutes tun wollen», sagt der 31-Jährige.

In Österreich habe die neue Regierung in den ersten Monaten wichtige Weichen gestellt. «Wir haben in den zentralen Fragen eine ganz klare Richtung eingeschlagen: Mehr Sicherheit, weniger Steuerlast. Und mit dem Zweijahres-Budget gibt es erstmals seit über 60 Jahren ein Ende der Schuldenpolitik in Österreich», sagt Kurz. Nun solle das Sozialsystem überarbeitet werden. Kernpunkt sei, dass Leistungen für Menschen, die noch nicht ins System eingezahlt hätten - also für Zuwanderer, die neu nach Österreich kämen - gekürzt würden. Kurz begrüßte es, dass auch in Deutschland die Frage der Zuwanderung inzwischen kritischer gesehen werde.

Politische Maßnahmen und Vorhaben der österreichischen Regierung

Österreichs Koalition aus konservativer ÖVP und rechter FPÖ ist mit dem Versprechen der Erneuerung des Landes angetreten. Für die größte Aufregung sorgte das Kippen des Rauchverbots in der Gastronomie. Viele andere Maßnahmen sind nach den ersten drei Monaten noch in der Planungsphase. Ein Überblick über die Maßnahmen:

FAMILIENBONUS: Eltern sollen durch einen Familienbonus jährlich in Höhe von bis zu 1500 Euro pro Kind entlastet werden. Die Steuererleichterung kommt aber vor allem Besserverdienern zugute. Menschen mit wenig Einkommen erhalten wegen der Streichung anderer Steuermaßnahmen weniger Geld vom Staat zurück als zuvor.

NULLDEFIZIT: Nach Jahrzehnten mit Budgetdefiziten soll endlich wieder Ausgabendisziplin herrschen. Das Ziel ist für 2019 - auch dank guter Konjunktur - eine schwarze Null. Die Opposition kritisiert die Einsparungen bei Langzeitarbeitslosen und Migranten.

STOPP DER AKTION 20 000: Das einst von SPÖ und ÖVP beschlossene Milliardenprogramm zur Eingliederung von Langzeitarbeitslosen wurde mit Hinweis auf die gute Wirtschaftslage ausgesetzt.

ABSCHAFFUNG DER NOTSTANDSHILFE: Statt der faktisch unbegrenzten Notstandshilfe soll die etwas höhere Mindestsicherung an sozial Schwache gezahlt werden. Der Haken: Hier haben die Behörden Zugriff auf das Vermögen der Empfänger. Motto: Niemand soll sich mehr «durchschummeln» dürfen. Kritiker befürchten dadurch die Einführung von Hartz IV nun auch in Österreich.

TEMPOLIMIT: Auf ausgewählten Autobahn-Strecken kann sich Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) Tempo 140 statt Tempo 130 vorstellen. Außerdem soll der in Deutschland hinlänglich bekannte Grüne Pfeil für Rechtsabbiegen trotz roter Ampel kommen.

ÜBERWACHUNGSPAKET: Mit Hilfe einer Spionagesoftware soll die Kommunikation bei entsprechendem Verdacht auch auf Messengerdiensten wie Whatsapp und Skype überwacht werden. Außerdem wird der Zugriff auf private und öffentliche Überwachungskameras erleichtert.

STRAFVERSCHÄRFUNG BEI SEXUALDELIKTEN: Noch vor dem Sommer sollen strengere Gesetze bei sexuellen Übergriffen auf den Weg gebracht werden. Derzeit gebe es im Verhältnis zu Bestrafungen bei Wirtschaftsdelikten eine Schieflage.

BILDUNG: Unis sollen wegen des großen Andrangs in einzelnen Fächern leichter Zulassungsbeschränkungen erlassen können. Eine «Bildungspflicht» für Jugendliche soll zudem dafür sorgen, dass Schulabgänger definitiv lesen, schreiben und rechnen können. In Volksschulen, vergleichbar mit den deutschen Grundschulen, sollen wieder Noten vergeben werden.

MEHRWERTSTEUERSENKUNG HOTELIERS: Die Umsatzsteuer für Übernachtungen soll von 13 auf 10 Prozent fallen. In Deutschland zahlen Beherbergungsbetriebe sieben Prozent.

FAMILIENBEIHILFE AUSLÄNDER: Die rechtlich umstrittene Maßnahme soll dafür sorgen, dass für Kinder von EU-Ausländern, die in der Heimat leben, der dort übliche Satz gezahlt wird. Das würde vor allem Ungarn treffen, die auf deutlich weniger Geld zählen könnten.

MEDIENENQUETE: Bei einer Enquete vor dem Sommer sollen neue Lösungen für die im Umbruch befindliche Medienbranche gefunden werden. Dorn im Auge der rechten FPÖ sind vor allem die Gebühren für den öffentlich-rechtlichen ORF.

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