Das zweite Leben des Maik Siegmund

​Elf Monate nach Motorradunfall auf Samui in Frankfurt aus dem Koma erwacht

Maik Siegmund sitzt vorerst im Rollstuhl und kämpft gemeinsam mit seinen Eltern Margit und Frank für seine Genesung. Im kleinen Bild, Maik vor seinem schweren Unfall.
Maik Siegmund sitzt vorerst im Rollstuhl und kämpft gemeinsam mit seinen Eltern Margit und Frank für seine Genesung. Im kleinen Bild, Maik vor seinem schweren Unfall.

Samui/Frankfurt. Es gibt nicht viele Geschichten in Thailand, die trotz schlimmster Begleiterscheinungen ein positives Ende finden. Die Geschichte von Maik Siegmund (38), nach einem verheerenden Motorradunfall auf Koh Samui eigentlich dem sicheren Tod geweiht, ist eine solche. Sie ist nicht nur deshalb untypisch. Auch der Zusammenhalt seiner Landsleute, die für ihn auf Samui rund 7000 Euro sammelten und so erst seinen Rücktransport in die Heimat möglich machten, legt ein Zeugnis für Solidarität ab, die nicht alltäglich ist in Thailands Farangkreisen…

Maik Siegmund aus Frankfurt ist bei seinen Kumpels auf Koh Samui seit vier Jahren eine feste Grösse. Mit ihm lässt es sich feiern, bei Bedarf auch mal ‚Pferde stehlen’ oder einfach nur gut quatschen. Am 18. September 2006 wird Maik aus einer scheinbar unbeschwerten thailändischen Existenz gerissen. Frühmorgens um 2 Uhr streift er auf dem Weg nach Chaweng mit seinem Scooter Honda Dash ein Taxi und stürzt. Einen Helm trägt Maik nicht. Sein Kopf knallt auf den Asphalt. Die Schädeldecke bricht mehrfach. Auch Teile seines Gehirns werden geschädigt.

Neurologe in Samui rettet Maik mit zwei OP’s das LebenAls ihn das Rettungsfahrzeug ins Bangkok Samui Hospital bringt, hängt Maiks Leben nur noch an einem seidenen Faden. Glück im Unglück: An diesem Abend arbeitet ein thailändischer Neurologe im Krankenhaus, der auch in Deutschland studiert hat. In Mainz absolvierte Dr. Apirat Cheepensuk sechs Jahre zuvor eine mikroneurologische Ausbildung – eine Tatsache, die später massgeblich zu Maiks an ein Wunder grenzenden Genesung beitragen soll.

Zweimal öffnet Dr. Apirat in jeweils achtstündigen Operationen den Schädel von Maik. Teile der zertrümmerten Decke werden entfernt, das Gehirn liegt offen. Maik kämpft um sein Leben. Als kurz darauf seine Eltern Margit und Frank Siegmund auf Samui eintreffen, sieht die Lage dennoch fast hoffnungslos aus. Der 1,91 Meter-Hühne liegt bewusstlos auf der Intensivstation. Den Besuch der Eltern und seiner vielen Freunde aus Samui nimmt er nicht wahr.

Freunde von Maik sammeln Geld für den HeimflugDie finanziellen Reserven für die kostspieligen Operationen und die Behandlung auf der Intensivstation sind schnell erschöpft. Jetzt übernehmen Maiks beste Freunde die Regie und organisieren eine auf Samui einmalige Benefizveranstaltung. Es sind Andi Reichold und Wolfie Jaehn, Chefs der Tauchschule Easy-Divers, Maiks dickster Kumpel Toddy Wienert sowie Joeschl Arnold, die eine Idee in die Tat umsetzen. Gemeinsam mit dem Schwaben ‚Moped-Thomas’ Jochum und dem Kärntner Wirt Michael Liebminger trommeln sie innerhalb weniger Tage rund 200 Gäste zusammen, die bei einem ‚Oktoberfest für Maik’ mehr als 7000 Euro spenden.

Fast alle deutschen und schweizer Geschäftsleute, die Maik Siegmund kennen, stiften Preise für die Tombola und tragen mit ihrem Einsatz massgeblich zum überragenden Erfolg der Veranstaltung bei. Die Eltern Margit und Frank sind mit dabei und können soviel Solidarität gar nicht fassen. Das Geld für den Heimflug ist gesammelt. Am 7. Oktober steigt die einmalige Benefizparty für Maik im ‚Landhaus’ Restaurant in Lamai, am 3. November trifft der im Koma liegende Maik mit Thai-Airways in Frankfurt am Flughafen ein.

Seine Mutter Margit wird in den nächsten Monaten durch die Hölle gehen. Mit ihrer Hartnäckigkeit rettet sie dem Sohn das Leben. Als die Behandlung in einer Rehaklinik bei Frankfurt keinen Erfolg bringt und der Chefarzt die Hoffnungen dämpft ("Das wird nie wieder etwas…"), lassen Frank und Margit Siegmund den Sohn verlegen. Im Spezialkrankenhaus für neurologische Fälle in Bad Wildungen – etwa 180 Kilometer von seinem Elternhaus in Frankfurt entfernt – wird Maik die nächsten Monate verbringen. "13 mal musste er operiert werden, zumeist, weil er sich wundgelegen hatte", sagt seine Mama. Von 85 Kilogramm magert er auf 55 Kilo ab.

"Wunder wäre ohne seine Freunde unmöglich gewesen"Am 11. August 2007 erwacht Maik Siegmund aus seinem tiefen Koma. Fast elf Monate sind seit dem Unfall auf Samui vergangen. Schon nach kurzer Zeit ist der mittlerweile 39 Jährige geistig wieder auf der Höhe. "Was ist denn los?", hat er uns immer wieder gefragt, erzählt seine Mutter Margit. "Er wollte gar nicht glauben, was ihm passiert ist."

Eine Titanplatte, die ihm in Frankfurt eingesetzt wurde, bildet heute die neue Schädeldecke von Maik. Nachdem er anfangs nur pürrierte Speisen und Dickmilch zu sich nehmen konnte, isst er laut Angaben seiner Mama heute schon wieder wie ein Scheunendrescher. "Mal ordert er sich eine Pizza, mal sonst irgendwas Deftiges", freuen sich seine Eltern. "Es ist ein Riesenwunder, das ohne seine Freunde in Samui unmöglich gewesen wäre!"

Maik Siegmund hat trotz der grossen Fortschritte der letzten Wochen noch einen weiten Weg vor sich. In einem Spezialgestell muss er langsam anfangen zu stehen. Die Beine und Hände sind spastisch verkrampft und bedürfen langwieriger Therapiemassnahmen. Mittels einer elektronischen Pumpe im Rückgrat soll dieser Spasmus in den nächsten Monaten gelindert werden. Von Montag bis Freitag nimmt der 39 Jährige an einer Ergo-Physiotherapie teil und ist voll ausgelastet.

Dennoch, Maik wäre nicht Maik, hätte er nicht schon wieder Pläne. "Er hat alle Krankenschwestern nach Samui eingeladen", schmunzelt seine Mutter Margit. Sein Einzelzimmer in Bad Wildungen haben die Eltern mit Fotos seiner Freunde aus Samui und der Familie ausgestattet. Maik kämpft nun in der Spezialklinik für seine Rehabilitation, auch um seinen Freunden auf seine Weise zurückzuzahlen, was sie für ihn getan haben.

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